Nachrichten

Wann ist das von einem Schlüsseldienst verlangte Entgelt Wucher?

Bild
(09.02.2024) Immer wieder verursachen Schlüsseldienste negative Schlagzeilen, weil sie für einfache Arbeiten hohe Summen abrechnen und fantasievolle Zuschläge erheben. Allerdings müssen Verbraucher nicht alles hinnehmen.

Zu einem Schlüssel-Notfall kann es schnell kommen. Man passt mal kurz nicht auf beim Gang ins Treppenhaus, wenn der Paketbote klingelt, und schon ist die Wohnungstür ins Schloss gefallen. Natürlich liegt dann der Schlüssel in der Wohnung oder steckt in der Tasche einer Jacke an der Garderobe. Ist niemand anders zu Hause und bewahrt auch kein Nachbar einen Schlüssel auf, bleibt einem nur der Anruf bei einem Schlüsseldienst. Dies kann jedoch ziemlich schnell teuer werden. Schlüsseldienste berechnen oft Gebühren, an die ein Normalverbraucher für das Öffnen einer Tür im Traum nicht denken würde. So berichtete der Spiegel im Februar 2018 über einen Fall in Baden-Württemberg, in dem über 600 Euro gefordert wurden - und zwar für eine Türöffnung, die eigentlich nur 100 bis 200 Euro hätte kosten dürfen. Sind solche Praktiken erlaubt?

Welches Vertragsverhältnis besteht mit dem Schlüsseldienst?
Der Vertrag mit einem Schlüsseldienst ist rechtlich gesehen ein Werkvertrag. Die §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) stellen dafür klare Regeln auf - einschließlich Gewährleistung und Werklohn. Entweder kann der Handwerker den zuvor fest vereinbarten Werklohn verlangen, oder, wenn keine Vereinbarung getroffen wurde, den für die jeweilige Arbeit ortsüblichen Betrag. Er kann also nicht einfach das Fünffache fordern, weil er dies gern möchte.

Warum sollte man zuerst einen Preis vereinbaren?
Das Oberlandesgericht Köln befasste sich mit dem Fall eines Mannes, der sich an einem Samstagnachmittag ausgesperrt hatte. Er hatte von einem Nachbarn aus einen Schlüsseldienst angerufen. Dieser öffnete die Tür im Handumdrehen mit Hilfe einer Plastikkarte. Man einigte sich auf Kartenzahlung. Der erleichterte Kunde bezahlte ohne weiteres Hinsehen. Auf die Rechnung sah er erst, als der Monteur abgefahren war - und erschrak. Er hatte gerade dem Schlüsseldienst 320 Euro für das einfache Öffnen der zugefallenen Wohnungstür bezahlt. Diesen Preis betrachtete er als Wucher und stellte Strafanzeige gegen den Schlüsseldienstbetreiber.

Wann liegt Wucher vor?
Wucher ist ein Straftatbestand, geregelt in § 291 des Strafgesetzbuches (StGB). Wucher liegt vor, wenn jemand eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausnutzt, dass er sich einen Geldbetrag bezahlen lässt, der in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht.

Ein solches auffälliges Missverhältnis liegt vor, wenn die Zahlung etwa doppelt so hoch ist wie der Wert der erbrachten Leistung. Dabei spielt auch die Marktüblichkeit eine Rolle, es gibt also keinen festen Grenzwert. Auf Wucher steht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Wucher: Wann wird eine Zwangslage ausgenutzt?
Im oben geschilderten Fall bestätigte das Oberlandesgericht Köln die Entscheidungen der Vorinstanzen, nach denen kein Wucher vorlag. Voraussetzung für Wucher sei, dass der Täter vorsätzlich eine Zwangslage des Opfers ausgenutzt habe. Das reine Ausgesperrt-Sein reiche nicht für eine Zwangslage aus. Es müssten weitere Umstände hinzukommen, die eine schnelle Türöffnung dringend erforderlich machten. Dies könnten zum Beispiel ein in der Wohnung eingesperrtes Kind, aus einem verstopften Rohr tropfendes Wasser oder eine Brandgefahr wegen eingeschalteter Elektrogeräte sein.

Das Gericht wies auch darauf hin, dass der Kunde in diesem Fall trotz Ausgesperrtsein genug Zeit gehabt hätte, sich vor der Beauftragung des Schlüsseldienstes nach den Preisen zu erkundigen und Alternativangebote einzuholen. Ob er die Rechnung letztlich bezahlen musste, war nicht Gegenstand des Strafverfahrens (OLG Köln, Urteil vom 22.11.2016, Az. 1 RVs 210/16).

Ähnlich entschied das Amtsgericht München. In diesem Fall hatte ein Kunde wegen einer gebrochenen Türfalle abends um 22 Uhr seine Wohnung nicht mehr verlassen können. Der Monteur des Schlüsseldienstes steckte ihm ein schriftliches Angebot durch den Briefschlitz der Wohnungstür und verlangte vor Arbeitsbeginn eine Unterschrift. Der Kunde unterschrieb, weil er morgens zur Arbeit musste. Abgerechnet wurden inklusive Austausch des defekten Schlosses 863,94 Euro.

Auch hier sah das Gericht keine Zwangslage. Der Kunde habe ein funktionierendes Telefon und Internet gehabt. Er habe sich nicht in Gefahr befunden und habe die Möglichkeit gehabt, einen anderen Schlüsseldienst zu rufen. Es liege daher kein Wucher vor (Urteil vom 8.1.2020, Az. 171 C 7243/19).

Wann haben die Gerichte Wucher bestätigt?
Das Landgericht Bonn verhandelte den Fall eines Paares, das sich aus seinem Einfamilienhaus ausgeschlossen hatte. Die Tür war zugefallen und der Schlüssel steckte von innen. Man hätte die 30 Jahre alte, nicht abgeschlossene Tür durchaus auch einfach mit einem Draht öffnen können. Der Schlüsseldienst-Monteur bestand jedoch auf einem Austausch des Schließzylinders für 128 Euro. Da er den Einsteckschlosskasten verbog, kamen weitere 89 Euro dazu. Die Rechnung betrug mit Material, Anfahrt und Notdienstpauschale 650 Euro. Weil der Kunde nicht zahlen wollte, drohte der Monteur damit, das neue Schloss wieder auszubauen. Das Paar hatte Angst, sein Haus die ganze Nacht lang nicht abschließen zu können, und fuhr daher zum Geldautomaten und zahlte.

Hier bestätigte das Gericht, dass Wucher vorlag. Der Monteur habe mehr als das Doppelte des ortsüblichen Preises verlangt. Das Paar sei in einer Zwangslage gewesen, da sie anders nicht in ihr Haus hineingekommen wären. Sie hätten sich auch keinen billigeren Schlüsseldienst suchen können, da die beauftragte Firma ihnen zu Anfang gar keine Preise genannt habe. Einen Vergleich mit den marktüblichen Preisen hätten die ausgesperrten Kunden vor Ort nicht anstellen können, da sie diese nicht gekannt hätten.

Hier kamen zum strafbaren Wucher noch die Täuschung über unnötige Arbeiten und die Drohung mit dem sofortigen Wiederausbau des Schlosses hinzu. Daher verurteilte das Gericht den Monteur wegen Wucher, Betrug und Nötigung zu einer Geldstrafe (Urteil vom 5.5.2006, Az. 37 M 2/06).

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. entschied ebenfalls, dass eine um 100 Prozent über dem marktüblichen Preis liegende Schlüsseldienst-Rechnung Wucher sei. Schlüsseldienste müssten Kunden am Telefon den korrekten Preis nennen. Hier ging es um einen länger zurückliegenden Fall, bei dem der Schlüsseldienst am Telefon für eine einfache Türöffnung zuvor 150 DM veranschlagt hatte. Der Monteur öffnete die Tür in unter einer Minute, verlangte aber 359 DM. Als die Kundin sich beschwerte, schlug er ihr die Tür vor der Nase wieder zu. In diesem Fall hatte ein Konkurrent den Schlüsseldienst wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens abgemahnt. Das Gericht sah die Abmahnung mit entsprechenden Kosten als rechtmäßig an (Beschluss vom 4.1.2002, Az. 6 W 218/01).

Wie schützt das Vertragsrecht vor Wucher?
Wenn ein Kunde bei der Beauftragung eines Handwerkers nicht gleich einen bestimmten Betrag vereinbart, gilt die übliche Vergütung als ausgemacht. Dies besagt § 632 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Als übliche Vergütung gilt der Betrag, der in dieser Branche üblicherweise für eine nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistung zu zahlen ist. Dies wäre hier der durchschnittliche Preis seriöser Schlüsseldienste in der jeweiligen Gegend für diese konkrete Leistung.

Das heißt: Der Monteur kann nicht im Nachhinein einen unüblich hohen Betrag fordern. Wenn beide Seiten eine Vereinbarung getroffen haben, mit der eine deutlich überhöhte Vergütung festgelegt wurde, kann diese Absprache nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein. Dann hat der Kunde unter Umständen auch einen Rückforderungsanspruch.

Wann können Kunden eine Rückerstattung des bezahlten Betrages verlangen?
Nach dem Amtsgericht Bremen muss der Kunde nicht alles bezahlen, was dem Schlüsseldienst einfällt, sondern nur die Kosten für die schonendste und günstigste Methode der Türöffnung. Selbst die Anfahrtskosten müssten sich auf die reale Entfernung zwischen Firmensitz und Einsatzort beziehen. Hier waren 498 Euro berechnet worden, obwohl der übliche Preis bei 190 Euro gelegen hätte. Laut Gericht konnte die Kundin den zu viel gezahlten Betrag als ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangen. Rechtsgrundlage dafür ist § 812 BGB. Der Schlüsseldienst durfte lediglich den ortsüblichen Teil behalten - unabhängig von der getroffenen Vereinbarung (Urteil vom 21.4.2009, Az. 4 C 0012/08).

Welche Preise sind beim Schlüsseldienst üblich?
Für den Fachmann ist eine zugefallene Tür meist leicht zu öffnen. Dabei sollte keine Bohrmaschine eingesetzt werden und ein neues Schloss ist überflüssig. Man benötigt auch nicht mehrere Monteure dafür. Das Öffnen einer nur ins Schloss gefallenen Tür kostet in manchen Orten 75 bis 100 Euro - einschließlich Anfahrt. Der Bundesverband Metall nennt für Großstädte einen üblichen Preis von ca. 130 Euro für die einfache Öffnung einer Tür, Samstags bis zu 190 Euro und an einem Feiertag bis zu 230 Euro, jeweils inklusive Fahrtkosten und Mehrwertsteuer.

Der Preis für eine Türöffnung tagsüber kann sich durch Nacht- oder Wochenendzuschläge um bis zu 100 Prozent erhöhen. Ein Zuschlag von 100 Prozent an einem Sonn- und Feiertag gilt als rechtens. Aber: 500 Prozent sind es nicht. Es ist üblich, gestaffelte Zuschläge je nach Tageszeit zu verlangen. Nach 17 Uhr wird ein Spätzuschlag von 50 Prozent fällig, ab 22 Uhr ein Nachtzuschlag von 100 Prozent.

Daher empfehlen manche Verbraucherschützer, bei einem nächtlichen Schlüsselverlust lieber die Nacht im Hotel zu verbringen. Dies kann deutlich billiger werden, als einen Schlüsseldienst zu beauftragen.

Zusätzliche Arbeiten erhöhen ebenfalls die Rechnung - zum Beispiel der Einbau eines neuen Schließzylinders.

Wann gibt es Haftstrafen für Schlüsseldienst-Anbieter?
Das Landgericht Kleve verhandelte 2018 einen aufsehen erregenden Fall. Eine von zwei Männern betriebene Schlüsseldienstzentrale warb in Branchenbüchern mit scheinbar ortsansässigen Telefonnummern in einer Vielzahl von Orten. Tatsächlich landeten alle Anrufer per Rufumleitung in einem Callcenter in Geldern. Dieses schickte dann Monteure aus der jeweiligen Region. Nur waren diese meist gar nicht vom Fach - auch Pizzafahrer waren darunter. Offenbar waren die Monteure sogar angewiesen, möglichst viel Schaden anzurichten. Meist lagen die Rechnungen bei mehreren hundert Euro, bei Austausch des Schließzylinders auch schon mal bei 800 Euro. Die Anreise der Monteure war weit, es wurden überhöhte Rechnungen ausgestellt und überflüssige Arbeiten durchgeführt. Wenn die Kunden nicht zahlen wollten, drohten die Monteure mit der Polizei.

Das Gericht beurteilte 1.000 Fälle als vollendeten und knapp 900 Fälle als versuchten Betrug.

Laut Gericht waren die Monteure nicht, wie vom Schlüsseldienst behauptet, selbstständig, sondern abhängig tätig gewesen - ohne Arbeitsvertrag. Von jedem Auftrag erhielt die "Zentrale" durchschnittlich 55 Prozent der Einkünfte. Durch dieses illegale Beschäftigungsmodell blieben die Inhaber dem Staat sechs Millionen Euro Umsatzsteuer und Lohnnebenkosten für die Monteure in Höhe von etwa zehn Millionen Euro schuldig.

Die beiden Inhaber wurden vom Gericht zu Freiheitsstrafen von sechseinhalb Jahren und drei Jahren und neun Monaten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Steuerhinterziehung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt verurteilt. Einer der beiden stand danach noch vor Gericht, weil er versucht hatte, einen Zellengenossen für den Mord an den beiden zuständigen Staatsanwälten anzuheuern (LG Kleve, Urteil vom 7.8.2018, Az. 203 Js 146/09).

Praxistipp zum Schlüsseldienst
Der Tipp, einen ortsansässigen Schlüsseldienst zu beauftragen, hat leider zu Betrugs-Maschen wie der oben dargestellten geführt. Dabei werden örtliche Telefonnummern auf ein weit entferntes Callcenter umgeleitet. Die Bundesnetzagentur lässt solche falschen Telefonnummern abschalten, wenn dies bekannt wird.

Generell gilt immer noch: Vermeiden Sie Unternehmen, deren Firmenbezeichnung AAAA-Schlüsseldienst oder ähnlich lautet. Häufig berechnen diese eine Anfahrt von sonst wo. Am sichersten ist es, ein Unternehmen zu beauftragen, von dem man weiß, dass es seinen Laden wirklich vor Ort hat.

Empfehlenswert ist eine vorherige telefonische Preisabsprache mit genauer Schilderung des Problems (Tür abgeschlossen oder nur ins Schloss gefallen? Welche Art Schloss?). Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Ziehen Sie einen Zeugen hinzu.

Und: Eine Hotelübernachtung kann billiger sein, als ein nächtlicher Schlüsseldienst-Einsatz. Vergleichen Sie die Preise verschiedener Anbieter. Wenn es zum Streit mit einem Schlüsseldienst kommt, kann Ihnen ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt helfen, Ihr Recht durchzusetzen.

(Quelle: Anwalt-Suchservice)