Nachrichten

Verjährung des Herausgabeanspruchs von Handakten

Bild
© iStock/Gala Kan
(04.11.2020) Der An­spruch eines Man­dan­ten auf Her­aus­ga­be der Hand­ak­ten ver­jährt in­ner­halb von drei Jah­ren nach Man­dats­be­en­di­gung. Die be­rufs­recht­li­chen Be­stim­mun­gen über die Länge der Auf­be­wah­rungs­frist haben dabei kei­nen Ein­fluss auf den Lauf der Ver­jäh­rung. Das hat der Bun­des­ge­richts­hof mit Ur­teil vom 15.10.2020 ent­schie­den.

Kanzlei verweigert Herausgabe der Handakten

Der Insolvenzverwalter einer Europäischen Aktiengesellschaft stritt mit einer Wirtschaftsrechtskanzlei um die Herausgabe anwaltlicher Handakten. Mit Vereinbarung vom 31.08.2011 beriet die Sozietät das Wertpapierunternehmen anwaltlich - insbesondere zur Entwicklung eines Sanierungskonzepts. Die Mandatsvereinbarung enthielt folgende Regelung: "Aktenaufbewahrung: Wir führen unsere Akten entweder in elektronischer oder papiergebundener Form. Unterlagen bewahren wir für einen Zeitraum von 10 Jahren nach Abschluss des Mandats auf. Danach sind wir berechtigt, Dateien zu löschen bzw. Akten zu vernichten, soweit wir Ihnen nicht Originaldokumente zur Aufbewahrung übergeben." Im Juli 2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kapitalgesellschaft eröffnet und der Insolvenzverwalter bestellt. Er forderte von der Kanzlei im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückzahlung der Anwaltsvergütung.

Die Instanzen sind sich einig

Ende 2015 verlangte der Konkursverwalter von der Kanzlei die Herausgabe der während des Mandats geführten Handakten. Das Rechtsanwaltsbüro lehnte dies Mitte Januar 2016 ab und berief sich auf Verjährung. Das LG Frankfurt am Main wies die Klage ab. Die Berufung blieb vor dem OLG Frankfurt am Main erfolglos: Der Beginn der Verjährung sei weder in entsprechender Anwendung von § 695 Satz 2 BGB hinausgeschoben, dort beginnt sie erst mit Rückforderung durch den Hinterleger, noch stehe die sechsjährige Aufbewahrungsfrist aus § 50 Abs. 2 BRAO einer Verjährung des Herausgabeanspruchs binnen drei Jahren entgegen. § 50 BRAO begründe lediglich eine berufsrechtliche Aufbewahrungsfrist.

BGH: Kein Einfluss der BRAO auf den Lauf der Verjährung

Das sah der BGH genauso und wies die Revision des Verwalters zurück. Der Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters aus § 667 BGB sei verjährt. Aus Sicht der Bundesrichter konnte die am 09.01.2017 beim LG Frankfurt am Main eingereichte Klage die Verjährung nicht mehr hemmen, weil bereits zum 31.12.2015 Verjährung eingetreten war.

Verjährung nicht bereits mit Abschluss des Mandatsvertrags

Dem IX. Zivilsenat zufolge beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe der Handakten unabhängig von einem Herausgabeverlangen des Mandanten mit Ende des Mandats. Die Bestimmung des § 695 Satz 2 BGB sei nicht entsprechend anwendbar. Sie regele den Sonderfall, dass der Rückforderungsanspruch des Hinterlegers bereits mit Hingabe der Sache entstehe und die Verjährung ohne gesonderte Regelung sofort zu laufen beginne. Diese Interessenlage sei mit der des Mandanten eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar; die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe der Handakten beginne erst mit Fälligkeit dieses Anspruchs und nicht bereits mit Abschluss des Mandatsvertrags.

Mandant ausreichend durch verjährungsrechtliche Regeln geschützt

Aus Sicht des BGH haben die Bestimmungen des § 50 BRAO zur Aufbewahrungspflicht bei Handakten auf den Lauf der Verjährung des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB keinen Einfluss. Die von § 50 BRAO vorgesehenen Aufbewahrungsfristen stellten für den Herausgabeanspruch weder eine die Verjährung verdrängende materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar, noch führten sie dazu, dass der Herausgabeanspruch des Mandanten aus § 667 BGB als verhaltener Anspruch einzuordnen sei, bei dem die Verjährung erst mit dem Herausgabeverlangen zu laufen beginne. Da die Interessen des Mandanten, so der BGH weiter, durch die verjährungsrechtlichen Regeln ausreichend geschützt seien, habe die Länge der berufsrechtlichen Aufbewahrungsfrist keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung. Auch die Verlängerung der berufsrechtlichen Aufbewahrungspflicht in der Mandatsvereinbarung habe keinen Einfluss auf die Verjährung des Herausgabeanspruchs.

Herausgabe der Handakten als Berufspflicht

Auf die Herausgabe der Handakten hat der Mandant einen Anspruch gemäß §§ 675, 667 BGB in Verbindung mit § 50 BRAO. Der BGH hatte bereits 2015 klargestellt, dass ein Anwalt, der die Herausgabe von zur Prozessführung benötigten Mandantenunterlagen ohne rechtfertigenden Grund verweigert, nicht nur seine zivilrechtliche Herausgabepflicht verletzt, sondern zugleich auch eine Berufspflichtverletzung begeht. Die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 50 BRAO im Jahr 2017 stellte ebenfalls klar, dass es sich dabei um eine Regelung berufsrechtlicher Pflichten handelt. Verweigere ein Jurist die Herausgabe von Unterlagen seines Mandanten, gefährde er in erheblichem Maße die Achtung in das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität des Berufsstands.

BGH, 15.10.2020 - IX ZR 243/19

(Quelle: beck aktuell)