Immobilien- und Mietrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 5. August
IMRRS 2025, 0991
LSG Bayern, Urteil vom 10.09.2024 - L 8 SO 226/22
1. Hat ein Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren seine Vollmacht auf Verlangen (…) innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgewiesen, kann der Widerspruch als unzulässig verworfen werden.*)
2. Der Mangel der Vollmacht im Widerspruchsverfahren kann nicht durch die nachträgliche Vorlage einer Vollmacht im Klageverfahren geheilt werden.*)
3. Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht muss regelmäßig mit einer angemessenen Frist und dem Hinweis verbunden sein, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig verworfen wird.*)

IMRRS 2025, 0942

LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.07.2025 - L 9 SO 55/25
1. Die Richtigkeit der Begründung einer die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz ablehnenden Entscheidung unterliegt nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts.*)
2. Wegen des Fehlens eines formalen Beschlusses über die Ablehnung der Videokonferenz vor der mündlichen Verhandlung kann eine Gehörsrüge nur dann in Betracht kommen, wenn die Teilnahme an der Videokonferenz zuvor in dem betreffenden Verfahren beantragt worden ist.*)
3. Gestattet das Sozialgericht einem im Ausland lebenden, in der mündlichen Verhandlung durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten nicht, an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz teilzunehmen, berührt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich nur dann, wenn sich das Erfordernis einer persönlichen Anhörung dem Gericht aufdrängen muss.*)

IMRRS 2025, 0884

LG Stuttgart, Beschluss vom 20.05.2025 - 10 T 102/25
1. Ein Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden.
2. Der Einwand des Klägers, die Entscheidung eines Richters gehe über pauschale Behauptungen nicht hinaus, ist damit nicht geeignet, die Befangenheit des abgelehnten Richters zu begründen.

Online seit 4. August
IMRRS 2025, 0978
OLG Schleswig, Urteil vom 10.07.2025 - 12 U 12/24
1. Bei einem Bauträgervertrag stellen kauf- und werkvertraglicher Teil Teile eines einheitlichen Ganzen dar und ergeben nur gemeinsam Sinn. Die einzelnen Leistungen sind daher beim Bauträgervertrag ins Synallagma eines einheitlichen Vertragsverhältnisses einbezogen, es handelt sich mithin in aller Regel um einen einheitlichen, gemischten Vertrag. Ein solcher unterfällt schon aufgrund der objektiven Untrennbarkeit seiner Bestandteile in Gänze der Beurkundungspflicht des § 311b Abs. 1 BGB (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, 01.10.2023, BGB § 311b Rz. 209; ausführlich auch KG, IBR 2021, 228).*)
2. Wird die Form nicht eingehalten, erstreckt sich die Nichtigkeit auf den gesamten Vertrag, nichtig ist danach nicht nur die formlose Nebenabrede, sondern grundsätzlich auch der notariell beurkundete Vertrag, § 125 BGB (s. zu dieser umfassenden Rechtsfolge Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 311b Rz. 45).*)
3. Bei - weiteren - objektiv selbstständigen Verträgen (hier: zusätzlich zum Rohbauvertrag ein weiterer Vertrag über einen schlüsselfertigen Ausbau) bedarf es zur Herstellung des rechtlichen Zusammenhangs eines zusätzlichen subjektiven Verknüpfungsmoments - dem Verknüpfungswillen der Parteien.*)
4. Für den Verknüpfungswillen kommt es nicht auf die wechselseitige Abhängigkeit der Verträge voneinander, sondern nur auf die einseitige Abhängigkeit des Grundstücksvertrags von dem anderen Vertrag bzw. den anderen Verträgen an. Nur, wenn der Grundstücksvertrag nach dem Willen der Parteien vom anderen Vertrag abhängig ist, erstreckt sich der Normzweck des § 311b Abs. 1 BGB auf letzteren, welcher daher mitzubeurkunden ist, im umgekehrten Fall nicht (vgl. zu alledem BeckOGK/Schreindorfer, 01.10.2023, BGB § 311b Rz. 183 bis 185, m.w.N.; ebenso BGH, IBR 2010, 570 ).*)
4. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Verknüpfungswillens trägt grundsätzlich die Partei, die sich auf die Formnichtigkeit des Vertrags beruft (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, 01.10.2023, BGB § 311b Rz. 186 bis 197).*)
5. Im Fall der Formnichtigkeit einer Vereinbarung kann die Berufung einer Partei hierauf ausnahmsweise wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unbeachtlich sein. Das gilt dann, wenn auf Seiten desjenigen, welcher der Geltendmachung der Formnichtigkeit entgegentritt, ein Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Förmlichkeit vorgelegen hat und dieser Irrtum vom Geschäftsgegner schuldhaft, mindestens fahrlässig, verursacht worden war, oder wenn derjenige, der sich auf den Formverstoß beruft, eine Haltung eingenommen hat, die mit seinem früheren Verhalten nach Treu und Glauben unvereinbar ist. Entsprechendes gilt, wenn eine Partei, sei es auch nur unabsichtlich, die andere zum Absehen vom erforderlichen Abschluss eines formgültigen Vertrags veranlasst und diese daraufhin angenommen hat, dass eine formlose Vereinbarung genüge (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.1981 - VII ZR 230/80, IBRRS 1981, 0504).*)
6. Insbesondere für Bauverträge hat der BGH überdies entschieden, die Geltendmachung von deren Nichtigkeit durch den Unternehmer sei unter dem Gesichtspunkt selbstwidersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen, wenn er in Kenntnis der die Nichtigkeit begründenden Umstände den Vertrag durchführt, sozusagen "ins Werk gesetzt" und seine Bauleistung erbracht hat (vgl. BGH, IBR 2008, 431, zu den Auswirkungen einer nach §§ 134, 138 BGB nichtigen "Ohne-Rechnung-Abrede" in einem Bauvertrag; vgl. außerdem: KG, IBR 2020, 348; OLG Karlsruhe, IBR 2018, 564).
7. Ein Rücktritt des Verkäufers vom Grundstückskaufvertrag wegen Ausstehens eines geringen Kaufpreisanteils (hier: 5%) scheidet gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit aus.*)
8. Der Auflassung und Bewilligung der Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch steht nicht entgegen, dass er den Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt hat, wenn dem Anspruch des Verkäufers auf restliche Kaufpreiszahlung Mängelbeseitigungsansprüche des Klägers entgegenstehen, aufgrund derer er nach Treu und Glauben den restlichen Kaufpreis zurückbehalten kann.*)

IMRRS 2025, 0982

AG Hamburg, Urteil vom 04.07.2025 - 49 C 237/24
1. Es handelt sich bei einer Nichtbeachtung einer gerichtlich titulierten Verpflichtung um eine schwer wiegende, die Kündigung rechtfertigende Vertragspflichtverletzung.
2. Es steht dem Mieter insbesondere nicht frei, die Vorgaben seiner gerichtlich rechtskräftig titulierten Duldungspflicht weiter einzuschränken.
3. Einer Abhilfefrist nach § 543 Abs. 3 BGB bedarf es nicht, da dem Mieter bereits im Klageverfahren deutlich gemacht worden ist, was er zu dulden hat. Eine nochmalige Fristsetzung wäre eine sinnlose Förmlichkeit.
4. Einem Mieter, der seinem Vermieter nur eine Mängelbesichtigung von 10 Minuten erlaubt, obwohl ihm das Gericht eine halbe Stunde gewährt hat, und ein Berühren der angeblich schadhaften Sachen verbietet, kann fristlos gekündigt werden.

IMRRS 2025, 0969

OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2024 - 6 U 116/21
1. Eine Beschaffenheitsvereinbarung setzt keine ausdrücklichen Erklärungen der Parteien voraus, sondern kann sich auch aus den Umständen des Vertragsschlusses wie etwa dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder den bei dieser Gelegenheit abgegebenen Beschreibungen ergeben.
2. Die Angabe eines "Circa"-Baujahrs steht der Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht entgegen.
3. Die Auslegung des Begriffs "zeitgemäße Elektroausstattung" ergibt, dass ein vor längerer Zeit modernisierter Zustand geschaffen wurde, so dass die Elektrik den üblichen Anforderungen gewachsen ist. Damit geht auch einher, dass überhaupt eine Nutzung der Elektroinstallation ohne Gefahr für die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude bzw. die dort wohnenden Personen möglich ist.
4. Eine Beschreibung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit der Vermietung von acht Wohneinheiten stellt eine Beschaffenheitsvereinbarung dar.
5. Als Rechtsfolge ist bei einer Minderung der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zum wirklichen Wert gestanden haben würde.

IMRRS 2025, 0971

OLG Celle, Beschluss vom 28.08.2024 - 5 U 106/24
Der Anwalt ist verpflichtet, bei Beantragung einer Fristverlängerung das hypothetische Ende der beantragten Frist einzutragen. Organisiert er seine Kanzlei nicht dementsprechend, geht dies zu seinen Lasten.

IMRRS 2025, 0948

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.07.2025 - 12 ME 60/25
Ist die Adresse im Anschriftsfeld einer Postzustellungsurkunde handschriftlich geändert worden, beurteilt sich die Beweiskraft der Urkunde bezüglich des Orts einer Ersatzzustellung ggf. nach § 419 ZPO (i. V. m. § 98 VwGO).*)
