Immobilien- und Mietrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Nachbarrecht
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 30.01.2023 im Volltext bei imr-online eingestellt
Online seit 8. April
IMRRS 2024, 0480OLG Frankfurt, Urteil vom 06.02.2024 - 9 U 35/23
1. Bei der Zerstörung eines Baumes ist in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten, vielmehr ist der Anspruch des Geschädigten auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus ein Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks zu leisten.*)
2. Die Werteinbuße ist nach § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die sog. Bewertungsmethode von Koch zurückzugreifen ist. Hiernach wird der Wertverlust bestimmt, indem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden. Der danach errechnete Wert wird mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt.*)
VolltextOnline seit 28. März
IMRRS 2024, 0434LG Flensburg, Urteil vom 08.03.2024 - 3 O 60/23
Der Nachbar hat keinen Anspruch auf Erweiterung des Notweges, wenn die Nutzung seines Grundstücks bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
VolltextOnline seit 25. März
IMRRS 2024, 0402AG Plön, Urteil vom 26.01.2024 - 74 C 131/20
1. Das mündliche Einverständnis eines Grundstückeigentümers mit der Errichtung eines Carports und der entsprechenden Zurverfügungstellung von Teilen seines Grundstücks an den Eigentümer des Nachbargrundstücks ist als Leihvertrag i.S.d. § 598 BGB auszulegen.
2. Wird zwischen den Parteien des Leihvertrags nichts schriftlich festgehalten oder dinglich gesichert, spricht dieser Umstand dafür, dass der Verleiher keinen Rechtsbindungswillen hatte, den Grundstücksteil "lebenslang" zu überlassen; eine Dauer der Leihe ist demnach nicht bestimmt, der Verleiher kann das Grundstück zurückfordern.
3. Hat der Entleiher Investitionen auf dem Grundstücksteil vorgenommen (hier: Errichtung eines Carports), liegt in der Kündigung des Leihvertrags nach einer Nutzungsdauer von 20 Jahren keine unzulässige Rechtsausübung.
VolltextOnline seit Januar
IMRRS 2024, 0150AG München, Beschluss vom 01.02.2023 - 171 C 11188/22
1. Bei der Installation der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden.
2. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Dritter liegt nicht nur dann vor, wenn diese durch die Überwachung tatsächlich betroffen sind, sondern bereits dann, wenn Dritte eine Überwachung durch Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen (sog. Überwachungsdruck).
VolltextOnline seit 2023
IMRRS 2023, 1394LG Saarbrücken, Urteil vom 13.10.2023 - 13 S 32/23
1. In der Berufungsinstanz sind neue unstreitige Tatsachen unabhängig von den Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO stets zu berücksichtigen.*)
2. Ein Anspruch auf Entfernung von durch den Nachbarn installierten Kameras aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet.*)
3. Ein Anspruch auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen scheidet aus, wenn nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers betroffen ist. Dies ist der Fall, wenn die durch den Nachbarn installierten Kameras lediglich Ausschnitte des Nachbargrundstücks erfassen können, welche nicht durch den Mietvertrag des Klägers erfasst sind und der Grundstückseigentümer mit einer Videoaufzeichnung einverstanden ist.*)
VolltextIMRRS 2023, 1089
LG Mosbach, Urteil vom 31.05.2023 - 5 S 47/22
Durch Hahnenkrähen darf in einem allgemeinen Wohngebiet auch in ländlich geprägten Gebieten der nach der TA Lärm für Geräuschspitzen zulässige Maximalpegel von 60 dB(A) nicht überschritten werden; das Hahnenkrähen ist von kurzzeitigen Impulsen mit hoher Frequenz gekennzeichnet, die im Vergleich zu Dauergeräuschen als wesentlich lästiger empfunden werden.
VolltextIMRRS 2023, 1152
LG Dresden, Urteil vom 12.05.2023 - 4 O 2888/21
1. Der betroffene Eigentümer kann sich auf einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog stützen, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf sein Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen und der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen rechtzeitig zu unterbinden.
2. Der Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist bei planfestgestellten Vorhaben nicht eröffnet (Anschluss an BGH, IBR 2010, 213).
VolltextIMRRS 2023, 0802
OLG Dresden, Beschluss vom 16.05.2023 - 4 U 2490/22
1. Ein Unterlassungsanspruch wegen des von einer Videokamera ausgehenden "Überwachungsdrucks" kommt im Verhältnis zwischen Mietern einer Wohnanlage regelmäßig in Betracht, wenn die Kamera den Terrassenbereich eines Mieters erfasst, ohne dass dies durch erhebliche Gründe im Einzelfall gerechtfertigt wäre.*)
2. Die rein vorsorgliche Überwachung zur Vorbeugung befürchteter Einbrüche stellt keinen erheblichen Grund dar.*)
VolltextIMRRS 2023, 0594
BGH, Urteil vom 23.03.2023 - V ZR 67/22
Die Vorschrift des § 281 BGB findet auf die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB keine Anwendung.*)
VolltextIMRRS 2023, 0467
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.05.2022 - 8 D 311/21
1. Die Baukörperwirkung einer Windenergieanlage unterscheidet sich von derjenigen klassischer Bauwerke, wie etwa Gebäuden, die durch ihre Baukörpermasse eine erdrückende Wirkung auf die Umgebung ausüben können. Für die Frage, ob eine Windenergieanlage im Einzelfall unzumutbar bedrängend wirkt, sind deshalb weitere und andere Kriterien maßgebend.
2. Die Einzelfallabwägung, ob eine Windenergieanlage bedrängend auf die Umgebung wirkt, hat sich in einem ersten Schritt an der Gesamthöhe der Anlage (Nabenhöhe zuzüglich der Hälfte des Rotordurchmessers) zu orientieren. Eine starre - nach Metern bemessene - Abstandsregelung kann dem allerdings nicht hinreichend Rechnung tragen, da die Gesamthöhe moderner Windkraftanlagen sehr unterschiedlich ist.
3. Bei der Einzelfallbewertung ist weiter auf den Rotordurchmesser abzustellen. Je größer der Rotordurchmesser und damit auch die durch die Drehbewegung der Rotorblätter abgedeckte Fläche ist, desto größer ist auch die von der Anlage ausgehende optische Einwirkung. Darüber hinaus sind die örtlichen Verhältnisse in die Einzelfallbewertung einzustellen.
VolltextIMRRS 2023, 0412
OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2023 - 12 U 92/22
1. Der Bauherr als Auftraggeber kann seine Verkehrssicherungspflicht auf als zuverlässig geltende, sachkundige Architekten oder Bauunternehmer übertragen; ihm verbleiben dann Koordinierungs-, Anweisungs- und Überwachungspflichten. Insbesondere muss er einschreiten, wenn ihm Versäumnisse auffallen.
2. Für eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht bedarf es einer klaren Absprache. Der Übertragende muss sich vergewissern, dass der Übernehmende bereit und in der Lage ist, die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen. Eine Information über den Inhalt der Baugenehmigung enthält weder den Antrag noch die Aufforderung, die darin enthaltenen Schutzmaßnahmen umzusetzen.
3. Unmittelbar selbst verkehrssicherungspflichtig bleibt die mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüberwachung befasste Person dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. Er ist dann verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern.
VolltextIMRRS 2023, 0399
OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.03.2023 - 12 U 165/22
Die Entfernung von Bäumen, die unter Missachtung des Grenzabstands gem. § 16 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes (NRG-BW) zu nahe an der Grenze gepflanzt wurden, kann allein zur Abwehr der von ihnen verursachten Immissionen (Nadeln, Zapfen) nach Verjährung des nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruchs (§ 26 NRG-BW) grundsätzlich auch nicht mehr gem. § 1004 BGB oder aufgrund des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses verlangt werden.*)
VolltextIMRRS 2023, 0321
BGH, Urteil vom 27.01.2023 - V ZR 261/21
1. Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück, kann zwischen den Eigentümern des dienenden und des herrschenden Grundstücks mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, dass die Pflicht zur Unterhaltung der Anlage zwischen ihnen aufgeteilt wird.*)
2. Möglich ist auch eine Vereinbarung, die sich auf die - anteilige - Verpflichtung zur Übernahme der zur Unterhaltung der Anlage erforderlichen Kosten beschränkt, ohne eine Pflicht zur tatsächlichen Unterhaltung zu begründen.*)
3. Wenn sich eine Anlage auf zwei Grundstücke erstrecken soll und beide Eigentümer zur Nutzung der Anlage (auch) auf dem jeweils anderen Grundstück berechtigt sein sollen (hier: Tiefgarage), können wechselseitige Grunddienstbarkeiten bestellt werden; die Grundstücke sind dann zugleich herrschendes und dienendes Grundstück. Auch in diesem Fall ist es möglich, die Unterhaltungskosten der Anlage unter den beteiligten Eigentümern durch eine dinglich wirkende Vereinbarung nach einer bestimmten Quote zu verteilen.*)
4. Auch wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zur (anteiligen) Unterhaltung der Anlage bzw. zur anteiligen Kostentragung verpflichtet ist, genügt für die dingliche Wirksamkeit der Vereinbarung die Eintragung in das Grundbuch des dienenden Grundstücks. Einer zusätzlichen Eintragung auf dem Grundbuchblatt des herrschenden Grundstücks bedarf es nicht.*)
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