Immobilien- und Mietrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
784 Entscheidungen insgesamt
Online seit gestern
IMRRS 2025, 0551
BGH, Beschluss vom 11.03.2025 - VI ZB 5/24
1. Zu den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments.*)
2. Eine Berufungsbegründung, die mit dem Wort "Rechtsanwalt" ohne Namenszusatz endet, ist weder mit einer einfachen Signatur eines Rechtsanwalts versehen, wofür die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes ausreicht, noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden.
3. Mit der qualifizierten elektronischen Signatur ist die Vermutung verbunden, dass der Unterzeichner sich den Inhalt eines Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt.
4. Die einfache Signatur eines Schriftsatzes ist neben der qualifizierten elektronischen Signatur nicht erforderlich. Weiter ist es nicht erforderlich, dass der Schriftsatz aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert hat, dem Gericht übermittelt wird.

Online seit 28. April
IMRRS 2025, 0533
AG Duisburg, Urteil vom 05.02.2025 - 504 C 2376/24
1. Das vorgerichtliche Austarieren der tatsächlichen Möglichkeiten trotz Nichtbestehens eines rechtlichen Anspruchs ist nicht als Pflichtverletzung eines Anwaltsvertrags zu werten, selbst wenn der Anwalt den Fall nicht juristisch bis ins Detail analysiert hat.
2. Besteht der Mandant auf Klageerhebung trotz erheblicher Bedenken des Anwalts an deren Erfolgsaussichten (hier: Bedenken gegen Wirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel sowie mögliches negatives Schuldanerkenntnis durch Wohnungsübergabeprotokoll), macht sich der Anwalt nicht schadensersatzpflichtig.
3. Es erscheint unplausibel, dass der Anwalt einen anderen Rechtsanwalt mit einer umfangreichen Prüfung der Rechtslage auf Rechnung vorzunehmen betraut und im Rahmen der Besprechung der Analyse die sehr deutlich formulierten Bedenken des Kollegen gegenüber dem Mandanten nicht zur Sprache bringt.

Online seit 24. April
IMRRS 2025, 0534
BGH, Beschluss vom 27.03.2025 - V ZB 27/24
Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel (hier: Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung) einlegt.*)

Online seit 23. April
IMRRS 2025, 0528
LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2025 - 2 Sa 8/25
1. Ein auf einen vorübergehenden „Computer-Defekt”, „Computer-Absturz”, „Totalabsturz“ der Kanzlei-EDV oder „Internetausfall“ gestützter Wiedereinsetzungsantrag verlangt zwingend nähere Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung, um die Möglichkeit auszuschließen, dass die Fristversäumnis von der Partei beziehungsweise ihren Prozessbevollmächtigten verschuldet war.*)
2. Ein Rechtsanwalt muss bei Ausfall "nur" seiner Kanzleisoftware zunächst auf die beA-Webanwendung zurückgreifen und eine Übermittlung als elektronisches Dokument hierüber versuchen (offengelassen, ob auch die beA-App auf dem mobilen Endgerät des Rechtsanwalts vorrangig zu nutzen ist).*)
3. Scheitert die Übermittlung als elektronisches Dokument, muss des Weiteren grundsätzlich der Versuch einer Ersatzeinreichung nach § 46g Satz 3 ArbGG unternommen werden. Die (fristwahrende) Ersatzeinreichung geht dem Wiedereinsetzungsantrag (bei Fristversäumung) vor. Die Versäumung einer Notfrist erfolgt in aller Regel schuldhaft, wenn von zumutbaren Möglichkeiten einer Ersatzeinreichung kein Gebrauch gemacht wird.*)
4. Eine nach § 46c Abs. 3 Satz 3 ArbGG übermittelte eidesstattliche Versicherung eines Dritten muss (vom Prozessbevollmächtigten) qualifiziert signiert bzw. (vom Prozessbevollmächtigten) einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.*)
5. Die vorübergehende technische Unmöglichkeit als Voraussetzung einer wirksamen Ersatzeinreichung muss nicht im Moment des Fristablaufs vorliegen. Bei wirksamer Ersatzeinreichung sind weitere Versuche einer Übermittlung als elektronisches Dokument bis zum Fristablauf obsolet.*)
6. Erfolgt jedoch keine Ersatzeinreichung und wird die Frist versäumt, bestehen nach der im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags weiterhin anwendbaren höchstrichterlichen Rechtsprechung zum „vorschnellen Aufgeben“ von Übermittlungsversuchen erhöhte Sorgfaltspflichten, wenn die Frist bis zum letzten Tag ausgeschöpft wird.*)

Online seit 22. April
IMRRS 2025, 0510
OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2025 - 12 W 70/25
Die Teilnahme eines Rechtsanwalts an der mündlichen Verhandlung löst das Entstehen einer Terminsgebühr auch dann aus, wenn die Klage gegen den vertretenen Beklagten schon vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden ist, aber der aufrufende Richter hiervon (noch) keine Kenntnis hatte. Die Gebühr ist aber vom zurücknehmenden Gegner nicht zu erstatten, wenn der an der Verhandlung teilnehmende Prozessbevollmächtigte des Beklagen seinerseits schon früher Kenntnis von der Zurücknahme hatte und seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aus Sicht einer verständigen und wirtschaftlichen vernünftig denkenden Partei nicht notwendig war.*)

Online seit 17. April
IMRRS 2025, 0514
BGH, Beschluss vom 25.02.2025 - VI ZB 19/24
Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument nach § 130d Satz 2, 3 ZPO bedarf es zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind.*)

Online seit 16. April
IMRRS 2025, 0502
OLG Bremen, Beschluss vom 11.03.2025 - 2 W 24/24
1. Eine die Einigungsgebühr gemäß Ziff. 1003, 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG auslösende Einigung kann auch in einem - und sei es auch nur konkludent - abgesprochenen Prozessverhalten liegen, wenn die Parteien ihre jeweiligen Prozesshandlungen nicht unabhängig von der Erklärung des anderen vorgenommen haben.*)
2. Eine solche Einigung liegt aber nicht schon dann vor, wenn sich das Verhalten der Prozessparteien darauf beschränkt, dass der Beklagte die Klageforderung erfüllt, einer künftigen Erledigungserklärung des Klägers zustimmt, vorgreiflich die Kostenübernahme für den Fall der Erledigungserklärung erklärt und der Kläger daraufhin nach Zahlungseingang den Rechtsstreit für erledigt erklärt.*)

Online seit 11. April
IMRRS 2025, 0490
OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.08.2023 - 6 U 184/22
1. Die Einreichung eines elektronischen Dokuments im docx-Format ist unwirksam.
2. Auf einen gerichtlichen Hinweis über die Unwirksamkeit des Eingangs muss der Rechtsanwalt das PDF-Dokument per beA am gleichen Tag, spätestens aber am darauffolgenden Tag übersenden und die Übereinstimmung glaubhaft machen. Andernfalls greift die Eingangsfiktion nicht ein.

Online seit 9. April
IMRRS 2025, 0473
BGH, Beschluss vom 18.03.2025 - X ZB 8/21
1. Die Kontrolle eines Fax-Sendeberichts darf sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist.
2. In einem Wiedereinsetzungsgesuch ist zur Zuverlässigkeit des jeweiligen Angestellten vorzutragen. Dabei sind floskelhafte Bemerkungen wie etwa der Hinweis auf eine bisherige Zuverlässigkeit und Beanstandungslosigkeit der Arbeit nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es zumindest näheren Vortrags, ob der Prozessbevollmächtigte die Einhaltung der Anweisungen zur Ausgangskontrolle bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze wenigstens stichprobenartig in regelmäßigen Abständen kontrolliert hat.

Online seit 8. April
IMRRS 2025, 0464
BFH, Beschluss vom 07.03.2025 - XI B 11/24
1. Stellt ein Prozessvertreter einen Antrag auf Terminverlegung mit der Begründung, dass sein sechsjähriger Sohn an Brechdurchfall leide, muss die Art und Schwere der Erkrankung aus dem zur Glaubhaftmachung vorgelegten ärztlichen Attest zu entnehmen sein, so dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin selbst im Wege der eröffneten Video-Zuschaltung von Zuhause wegen des bedenklichen Gesundheitszustands des zu betreuenden Kindes nicht erwartet werden kann.*)
2. In diesem Fall hat der Prozessvertreter außerdem Gründe anzugeben und glaubhaft zu machen, warum eine Betreuung seines Kindes durch eine andere Person nicht gewährleistet werden kann.*)

Online seit 7. April
IMRRS 2025, 0448
BGH, Beschluss vom 11.03.2025 - XI ZB 17/24
1. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im elektronischen Rechtsverkehr per beA erfordern die Überprüfung des Eingangs des elektronischen Dokuments, insbesondere, ob der Eingang des elektronischen Dokuments vom Gericht bestätigt wurde.
2. Bleibt die Eingangsbestätigung aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.
3. Die Pflicht, den Versandvorgang zu überprüfen, besteht auch dann, wenn der elektronische Rechtsverkehr über die Schnittstelle eines Büroverwaltungsprogramms abgewickelt wird.
4. Das Gericht ist nicht gehalten, einer Partei durch einen Hinweis die Zweckmäßigkeit der Sicherung einer Eingangsbestätigung in Erinnerung zu rufen.

Online seit 4. April
IMRRS 2025, 0440
LG Köln, Beschluss vom 24.10.2024 - 104 Ks 76/23
Zur Frage, wann der Ausdruck aus der elektronischen Gerichtsakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache ausnahmsweise geboten ist.*)

Online seit 3. April
IMRRS 2025, 0444
BGH, Beschluss vom 25.02.2025 - VI ZB 36/24
Begehrt eine Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, hat sie einen Verfahrensablauf vorzutragen und glaubhaft zu machen, der ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt (BGH, IBR 2024, 100). Der Vortrag, in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten werde vor Büroschluss noch einmal kontrolliert, "ob alle Fristsachen erledigt sind", impliziert nicht, dass die spezifischen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an eine wirksame Ausgangskontrolle gestellten Anforderungen erfüllt worden sind; er ist damit nicht geeignet, ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Partei an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei auszuschließen.*)

Online seit 2. April
IMRRS 2025, 0443
AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2025 - 1 AGH 43/24
1. Die prozessuale Schriftform nach § 55a Abs. 3 VwGO erfordert, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss.
2. Jeder Anwalt ist nach § 31a Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 BRAO dazu verpflichtet, das beA vorzuhalten und Mitteilungen über dieses Postfach zur Kenntnis zu nehmen.
3. Eine Ausnahme - wie etwa das Ruhen der Tätigkeit - ist nicht vorgesehen. Wer kein beA hat, muss die Zulassung zurückgeben und den Rechtsanwaltstitel ablegen.

Online seit 31. März
IMRRS 2025, 0425
BGH, Beschluss vom 19.02.2025 - XII ZB 420/24
1. Auch im Falle einer unvorhergesehenen Erkrankung des Verfahrensbevollmächtigten trägt dieser grundsätzlich die Verantwortung für eine den Anforderungen entsprechende Fristenkontrolle
2. Dies gilt auch bei vereinbarter Krankheitsvertretung, soweit zwischen dem erkrankten Verfahrensbevollmächtigten und dessen Vertreter nichts anderes vereinbart ist.
3. Der Verfahrensbevollmächtigte hat durch organisatorische Anordnungen sicherzustellen, dass die (hier: Beschwerdebegründungs-)Frist in seinem Fristenkalender eingetragen und dass sie nicht ausgetragen wird, bevor die Erledigung der notwendigen fristwahrenden Maßnahmen - im Falle einer vertraglichen Übertragung der Fristenkontrolle auf den Krankheitsvertreter die Übergabe der Verfahrensakten an den Vertreter - überprüft wurde.

Online seit 26. März
IMRRS 2025, 0401
BGH, Beschluss vom 18.03.2025 - VIa ZR 803/22
1. Ein Rechtsanwalt muss sicherstellen, dass das für den Lauf einer Rechtsmittel(begründungs)frist maßgebliche Datum der Urteilszustellung beziehungsweise des Beschlusses, durch den die Revision zugelassen und die Revisionsbegründungsfrist in Gang gesetzt wird, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ermittelt wird.
2. Im Falle einer elektronischen Zustellung trifft den Rechtsanwalt die Pflicht, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ein Zustellungsdatum, das in einem von ihm abgegebenen elektronischen Empfangsbekenntnis eingetragen ist, auch in seiner - ggf. noch in Papierform geführten - Handakte dokumentiert wird.
3. Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist.

Online seit 25. März
IMRRS 2025, 0396
BGH, Beschluss vom 27.02.2025 - IX ZB 46/23
1. Die Berufungsbegründung muss das Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein (hier verneint für einen vom Mandanten vorformulierten Schriftsatz).
2. Zwar ist der Anwalt nicht gehindert, die Berufungsbegründung von anderen Personen, etwa von einem Referendar, vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbstständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt.
3. Für ein Berufungsgericht besteht in aller Regel kein Anlass, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat.
4. Einer Prüfung bedarf es demgegenüber zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz vom unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum anderen, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat.

Online seit 21. März
IMRRS 2025, 0359
OLG Schleswig, Beschluss vom 13.03.2025 - 1 W 16/24
Regeln zwei Streithelfer in einem gerichtlichen Vergleich über die Klagforderung den Gesamtschuldnerinnenausgleich bzgl. der Klagforderung, kann dies zu einem Vergleichsmehrwert führen, dessen Wert gem. § 33 RVG festzusetzen ist. Dies hängt davon ab, ob der Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen den Streithelfern streitig war.*)

Online seit 19. März
IMRRS 2025, 0358
OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.03.2025 - 8 W 332/25
Der Gegenstandwert der anwaltlichen Tätigkeit in einem auf Tatbestandberichtigung gerichteten Verfahren ist mit 1/10 des Hauptsachewertes zu bemessen.*)

Online seit 17. März
IMRRS 2025, 0339
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2025 - A 13 S 959/24
1. Die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten infolge eines zum Zeitpunkt der Ladung bereits gebuchten Urlaubs ist bei einem Einzelanwalt regelmäßig ein erheblicher Verlegungsgrund im Sinn des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO.*)
2. Die Verpflichtung zur Bestellung einer Vertretung nach § 53 BRAO für eine überschaubare Urlaubsabwesenheit steht dem Vorliegen eines erheblichen Grunds im Sinn des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich nicht entgegen.*)

Online seit 14. März
IMRRS 2025, 0331
OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.12.2024 - 3 U 90/24
1. Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei Übermittlung fristgebundener Schriftstücke im elektronischen Rechtsverkehr.*)
2. Ein Rechtsanwalt, der fristwahrende Schriftsätze über das beA an das Gericht versendet, hat das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.
3. Die Sorgfaltsanforderungen an den Versandvorgang bei fristgebundenen Schriftsätzen sind nur erfüllt, wenn der Rechtsanwalt die beA-Nachricht nebst Schriftsatz vor der Versendung über das beA auf die richtige Bezeichnung des für die Entgegennahme zuständigen Gerichts kontrolliert hat.
4. Das unzuständige Gericht ist nicht verpflichtet, dem zuständigen Gericht den fristgebundenen Schriftsatz unter höchster Beschleunigung zukommen zu lassen.

Online seit 10. März
IMRRS 2025, 0289
OVG Sachsen, Beschluss vom 29.01.2025 - 6 B 102/24
Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen seinerseits, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur oder eines sicheren Übermittlungswegs, in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen oder behördlichen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden.*)

Online seit 25. Februar
IMRRS 2025, 0239
VGH Bayern, Beschluss vom 13.02.2025 - 9 ZB 24.541
1. Das erstinstanzlichen Gericht hat einen fehlerhaft adressierten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten.
2. Ist ein fristgebundener Schriftsatz so zeitig eingereicht worden, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht gelangt.
3. Ein am Vorabend des Fristablaufs bei einem unzuständigen Gericht (hier: VG München), das nicht vorinstanzliches Ausgangsgericht (hier: VG Ansbach) war, eingereichter Schriftsatz ist nicht "so zeitig" eingereicht, dass seine Übermittlung an das zuständige Gericht (hier: VGH Bayern) binnen eines Arbeitstages erwartet werden kann.

IMRRS 2025, 0216

LG Paderborn, Beschluss vom 08.07.2024 - 1 S 27/24
1. Eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen ist nötig, und zwar bezogen auf die konkreten Umstände auf denen die Fristversäumung beruht.
2. Verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet.

Online seit 24. Februar
IMRRS 2025, 0228
OLG Celle, Beschluss vom 31.01.2025 - 20 U 8/24
1. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (Anschluss an: BGH, IBR 2024, 270; IBR 2022, 106; IBR 2023, 376).*)
2. Für den Gegenbeweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet sein, also jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden (Anschluss an: BGH, IBR 2023, 376, und IBR 2022, 106; Urteil vom 07.06.1990 - III ZR 216/89, IBRRS 1990, 0304).*)
3. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem dokumentierten Zeitpunkt der elektronischen Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum (hier: sechs Wochen) erbringt den Beweis der Unrichtigkeit der Datumsangabe für sich genommen noch nicht (Anschluss an: BGH, IBR 2022, 106, und vom 19.04.2012 - IX ZB 303/11, IBRRS 2012, 2104). Es dürfen jedoch auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Anschluss an: BGH, Beschlüsse vom 14.10.2008 - VI ZB 23/08, IBRRS 2008, 3251, und vom 08.05.2007 - VI ZB 80/06, IBRRS 2007, 3240).*)
4. In einem solchen Fall kann die Partei deshalb nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet sein, sich substantiiert zu den Umständen zu erklären, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen, und zu dem tatsächlichen Zeitpunkt der subjektiv empfangsbereiten Kenntnisnahme vorzutragen. Außerdem kann das Gericht nach §§ 142, 144 ZPO die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals des Rechtsanwalts der Partei anordnen.*)
5. Hieraus und aus den Erklärungen der Partei können sich jedenfalls Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der empfangsbereiten Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks durch den Rechtsanwalt und damit ein von dem Empfangsbekenntnis abweichendes Zustelldatum ergeben. Erklärt sich die Partei nicht und legt auch das beA-Nachrichtenjournal ihres Rechtsanwalts nicht vor, kann - in entsprechender Anwendung von § 427 ZPO - der Beweis der Unrichtigkeit des in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatums geführt sein.*)

Online seit 21. Februar
IMRRS 2025, 0217
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.02.2024 - 2 UF 203/23
1. Der Rechtsanwalt selbst hat bei Übernahme eines neuen Mandats die Handakten und bei der ersten Vorlage der Gerichtsakten an ihn diese auf laufende (Rechtsmittel-)Fristen eigenverantwortlich zu prüfen. Er muss den ermittelten Zustellungszeitpunkt festhalten und die rechtzeitige Wiedervorlage sicherstellen; insbesondere muss er prüfen, ob diese Frist gegebenenfalls vom Büropersonal im Kalender vorgemerkt wurde.*)
2. Ferner hat ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. In diesem Fall muss der Rechtsanwalt stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 01.03.2023 - XII ZB 483/21 -, Rz. 11, IBRRS 2023, 0982 Rn. 11; vom 29.06.2022 - XII ZB 9/22 - Rz. 10, IBRRS 2022, 2513; vom 19.02.2020 - XII ZB 458/19 - Rz. 13, IBRRS 2020, 0985, und vom 09.07.2014 - XII ZB 709/13 - Rz. 12, IBRRS 2014, 2153).*)
3. Gerade bei einem krankheitsbedingten Personalausfall und damit einhergehend einem erhöhten Arbeitsanfall wird von einem Rechtsanwalt eine erhöhte Sorgfalt gefordert, denn in einer Stresssituation kann auch einer ansonsten zuverlässigen Fachkraft ein Fehler unterlaufen. Ein Rechtsanwalt muss in Krankheitsfällen die fristenüberwachende Tätigkeit gegebenenfalls persönlich übernehmen.*)
4. Eine gerichtliche Hinweispflicht besteht bei Wiedereinsetzungsgesuchen nur bezogen auf erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, denn nur solche Angaben dürfen auch noch nach Ablauf der Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO erläutert oder vervollständigt werden.*)

Online seit 20. Februar
IMRRS 2025, 0173
OLG Dresden, Beschluss vom 09.01.2025 - 4 W 766/24
Allein aus der Einreichung von Unterlagen über das besondere elektronische Anwaltspostfach kann nicht auf einen Verzicht auf die Geheimhaltung dieser Unterlagen geschlossen werden, der einem Geheimhaltungsbeschluss durch das Gericht entgegenstünde.*)

Online seit 19. Februar
IMRRS 2025, 0212
OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.08.2024 - 2 W 59/22
Ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache als Rechtsanwalt ein Berufungsverfahren in einem WEG-Verfahren durchführt, und - nach Zurückweisung seiner Berufung durch das Landgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO - in einem Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts erneut in eigener Sache als Rechtsanwalt auftritt, ist zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet.*)

Online seit 14. Februar
IMRRS 2025, 0198
KG, Beschluss vom 24.01.2025 - 7 U 17/24
1. Allein der Umstand, dass der Rechtsanwalt eine Rücksendung des ihm zu Zwecken der Beurkundung des Zustellungsempfangs übermittelten Empfangsbekenntnisses unterlässt, hindert eine Heilung des Zustellungsmangels nicht, wenn neben dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks die weiter erforderliche Empfangsbereitschaft anderweit festgestellt werden kann.
2. Es kann dahinstehen, ob der Rechtsanwalt entgegen gerichtlicher Anordnung das beA-Nachrichtenjournal trotz Besitzes desselben nicht vorgelegt hat oder ob die Nichtvorlage des Nachrichtenjournals auf mangelnder Archivierung beruht, denn beides wäre gleichermaßen nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zu würdigen.
3. Auch bei fehlender Rücksendung eines unterschriebenen Empfangsbekenntnisses kann nicht von einer Empfangsverweigerung ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände gleichwohl in die gegenteilige Richtung weisen und hinreichend zuverlässig auf die Empfangsbereitschaft des Adressaten schließen lassen.

Online seit 12. Februar
IMRRS 2025, 0175
OLG Köln, Beschluss vom 04.09.2023 - 12 U 55/23
1. Empfiehlt der Rechtsanwalt seinem Mandanten die Berufungseinlegung und schlägt er der Gegenseite sogleich den Abschluss eines "Lästigkeitsvergleichs" vor, liegt darin keine Pflichtverletzung, wenn der Vergleichsschluss für den Mandanten wirtschaftlich vorteilhaft ist.
2. Der Anscheinsbeweis beratungsgerechten Verhaltens greift nicht ein, wenn nicht ersichtlich ist, dass im Falle einer sachgerechten Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte, also nur eine Handlungsweise ernsthaft in Betracht gekommen wäre.

Online seit 11. Februar
IMRRS 2025, 0165
OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2024 - Ws 649/24
1. Nur wenn die Herstellung der Kopien und Drucke zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache im Einzelfall geboten ist, ist der Ausdruck einer in digitalisierter Form - hier auf mehreren CD-Rom - gespeicherten Gerichtsakte erstattungsfähig. Hierbei trifft einen Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, obwohl sie ihm in digitaler Form zur Verfügung steht, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast, warum dies notwendig gewesen sein solle, wenn er die zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt.
2. Der Einwand des Rechtsanwalts, nicht über einen Laptop zu verfügen, greift nicht durch, weil die fehlende Ausstattung keinen tragfähigen Grund für den Ausdruck der Akte darstellt.

Online seit 10. Februar
IMRRS 2025, 0160
BFH, Beschluss vom 22.01.2025 - IX B 71/24
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass eine Fristversäumnis auch dann als unverschuldet anzusehen ist, wenn der Kläger zunächst einen von ihm zu vertretenden Fehler begangen hat, dann aber ein zusätzlicher Fehler des Gerichts hinzugekommen ist, auf dem letztlich die Fristversäumnis beruht.*)

Online seit 7. Februar
IMRRS 2025, 0145
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.01.2025 - 4 LA 83/24
1. Bei der Ablehnung eines Aufhebungs-, Vertagungs- oder Verlegungsantrags kommt eine Versagung des rechtlichen Gehörs nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht auch unterbreitet worden ist. Wird ein solcher Antrag sehr kurzfristig, quasi "in letzter Minute", gestellt, muss der Betroffene den erheblichen Grund regelmäßig von sich aus glaubhaft machen.
2. Dem Vorsitzenden bleibt in einem derartigen Fall keine Zeit, die betroffene Person zur Glaubhaftmachung der Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit aufzufordern, daher obliegt es dieser, den Verhinderungsgrund auch ohne besondere Aufforderung derart schlüssig und substantiiert darzulegen und zu untermauern, dass der Vorsitzende ohne weitere Nachforschung in die Lage versetzt wird, selbst das Vorliegen der Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit zu beurteilen.
3. Für den Prozessbevollmächtigten besteht bei kurzfristigen Verlegungsanträgen (hier: Eingang bei Gericht circa eine Stunde vor Sitzungsbeginn) Anlass, von sich aus telefonischen Kontakt mit dem Gericht aufzunehmen und sich durch eine Rückfrage über die Kenntnisnahme seines Antrags bzw. über Entscheidung über seinen Antrag zu informieren. Er kann mangels Rückmeldung auf seinen Antrag nicht darauf vertrauen, dass dem Antrag stillschweigend stattgegeben werden würde.

Online seit 6. Februar
IMRRS 2025, 0149
BGH, Beschluss vom 17.12.2024 - II ZB 5/24
Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht.*)

Online seit 3. Februar
IMRRS 2025, 0136
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.01.2025 - 3 M 196/24
Von einem Rechtsanwalt ist nicht zu verlangen, dass er die Eintragung und die Richtigkeit der Eintragung im Fristenkalender überprüft.*)

Online seit 31. Januar
IMRRS 2025, 0127
LG Karlsruhe, Urteil vom 09.08.2024 - 6 O 202/23
Darauf, ob die Versäumung der Berufungsfrist auf einen schuldhaften Anwaltsfehler zurückzuführen ist, kommt es nicht an, wenn das rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel (...) keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.*)

Online seit 30. Januar
IMRRS 2025, 0112
OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.06.2024 - 13 U 205/24
1. Als Vertreter einer Partei ist auch ein Rechtsanwalt anzusehen, der als Angestellter oder freier Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten von diesem mit der selbständigen Bearbeitung eines Rechtsstreits betraut worden ist und der nicht als bloßer Hilfsarbeiter in untergeordneter Funktion tätig geworden ist. Dies wird nicht durch eine mangelnde Bevollmächtigung dieses Rechtsanwalts gehindert; vielmehr bestellt der bevollmächtigte Rechtsanwalt mit der Übertragung eines nicht unwichtigen Teils seines anwaltlichen Pflichtenkreises den anderen Rechtsanwalt zum Unterbevollmächtigten.
2. Zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten in Fristsachen ist auch bei Übermittlung via beA ein ausreichender Sicherheitszuschlag einzuplanen, da nicht mit einer jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden kann.
3. Ein auf einen vorübergehenden "Computer-Defekt" oder "Computer-Absturz" gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung.

Online seit 29. Januar
IMRRS 2025, 0101
OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.01.2025 - 9 U 75/24
1. § 130d Satz 2 ZPO enthält keine unmittelbare Verpflichtung zur Ersatzeinreichung; kann eine Frist im Wege der Ersatzeinreichung aber noch gewahrt werden, scheidet eine Wiedereinsetzung aus.*)
2. Das Ausweichen auf eine andere als die gewählte Übermittlungsart kann geboten sein, wenn der Zusatzaufwand geringfügig und zumutbar ist und diese von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt wurde, er also mit seiner Nutzung vertraut ist.*)

Online seit 27. Januar
IMRRS 2025, 0105
BGH, Urteil vom 11.11.2024 - AnwZ (Brfg) 17/23
Wer als Syndikusrechtsanwalt für einen Arbeitgeber zugelassen wurde, muss hinnehmen, dass er mit dessen Namen im bundeseinheitlichen Anwaltsverzeichnis genannt wird.

Online seit 23. Januar
IMRRS 2025, 0088
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.09.2024 - 24 U 85/23
1. In einer Vergütungsvereinbarung muss eindeutig festgelegt werden, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber die vereinbarte Vergütung zahlen soll. Insbesondere muss geregelt werden, ob die Vergütungsvereinbarung nur für das derzeitige Mandat oder auch für zukünftige Mandate, insbesondere Weiterungen des bestehenden Mandates gelten soll. Fehlt eine solche Festlegung in der Vergütungsvereinbarung, gilt sie nur für das bei ihrem Abschluss bestehende Mandat.
2. In der Regel besteht keine zivilrechtliche Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten ungefragt über die Kosten der Inanspruchnahme aufzuklären. Eine solche Hinweispflicht kann sich aus den Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben ergeben (hier verneint).
3. Die berufsrechtliche Hinweispflicht des § 49b Abs. 5 BRAO entsteht erst dann, wenn sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Dabei muss nicht über die Höhe der sich aus dem Gegenstandswert ergebenden Gebühren aufgeklärt werden, vielmehr genügt allein der Hinweis, dass sich diese nach dem Gegenstandswert richten. Der Mandant muss den Rechtsanwalt aktiv dazu befragen, wenn für ihn Unklarheiten bestehen oder er weitere Auskünfte erhalten möchte
4. Im Übrigen muss ein Rechtsanwalt grundsätzlich ungefragt keine Hinweise zur Höhe des Gegenstandswerts, der sich daraus ergebenden Gebühren und infolgedessen auch nicht dazu machen, welche Abrechnungsweise für den Auftraggeber günstiger ist.

Online seit 20. Januar
IMRRS 2025, 0073
BGH, Beschluss vom 19.12.2024 - III ZB 16/24
1. Die sorgfältige Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung schließt stets auch die selbständige Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit mit ein. Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst wird, hat dies deshalb zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen.
2. Nur hinsichtlich der Fristenberechnung und Fristenkontrolle, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen, kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten. Dagegen ist er im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozesshandlung nicht davon befreit, die Einhaltung der maßgeblichen Fristen nochmals zu überprüfen
3. Der Rechtsanwalt wird - selbst dann, wenn er sich unmittelbar nach Erteilung einer Weisung überobligationsmäßig über die Befolgung seiner Anordnung vergewissert hat - nicht der Pflicht enthoben, nochmals die richtige Notierung der Frist zu überprüfen, wenn ihm die Akte zur Vorbereitung der fristwahrenden Handlung vorgelegt wird.

Online seit 17. Januar
IMRRS 2025, 0054
OLG Bremen, Beschluss vom 27.11.2024 - 2 U 18/22
1. Bei Reduzierung des Streitwertes vor Beginn der mündlichen Verhandlung ist der Wert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag abweichend vom Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren für die Terminsgebühren auf den Wert der verbleibenden Anträge festzusetzen (Anschluss an OLG Bremen, Beschluss vom 04.03.2024 - 1 U 12/22, IBRRS 2025, 0138).*)
2. Ist der Antragsteller mit den Kosten des Rechtsstreits auch nur teilweise belastet, ist er berechtigt, eine solche gesonderte Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit auch hinsichtlich der Tätigkeit gegnerischen Rechtsanwaltes zu beantragen.*)

Online seit 16. Januar
IMRRS 2025, 0059
OLG Bremen, Beschluss vom 04.03.2024 - 1 U 12/22
1. Der Grundsatz des § 32 RVG, wonach die gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts auch für die Gebühren des Rechtsanwalts bestimmend ist, gilt nur, wenn sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit derjenigen des Rechtsanwalts deckt.*)
2. Eine zeitlich gestaffelte Festsetzung des Gegenstandswerts für die Gerichtsgebühren wegen einer teilweisen Reduzierung des Streitwerts findet nicht statt.*)
3. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG richtet sich nach dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung. Bei einer schriftsätzlichen Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels vor dem Termin ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung auf die verbleibenden Anträge beschränkt und der Gegenstandswert für die Bestimmung der Anwaltsgebühren ist nach § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag selbständig festzusetzen.*)
4. Eine schriftsätzliche Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels in Fällen des Diesel-Abgasskandals wegen einer Beschränkung des klagweise geltend gemachten Anspruchs auf den Differenzschaden anstelle einer Rückgängigmachung des Kaufvertrags führt zur Reduzierung des Gegenstandswerts für nachfolgend entstehende Terminsgebühren.*)

Online seit 13. Januar
IMRRS 2025, 0038
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2023 - 22 U 162/22
1. Das Empfangsbekenntnis beweist das angegebene Zustellungsdatum. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, allerdings nicht ausgeschlossen.
2. Nicht ausreichend ist eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis. Vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet, mit anderen Worten jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden, wobei allerdings an den Gegenbeweis keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen.

Online seit 8. Januar
IMRRS 2025, 0025
BGH, Urteil vom 27.11.2024 - VIII ZR 278/23
Zur Bemessung des Gegenstandswerts eines Anspruchs auf Abgabe einer Erklärung, dass die Miete künftig herabgesetzt wird, bei einer zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarten Staffelmiete i.S.v. § 557a Abs. 1 BGB (im Anschluss an Senatsurteil vom 15.05.2024 - VIII ZR 52/23, Rz. 46 f. m.w.N., IMRRS 2024, 0973 = NZM 2024, 755).*)

Online seit 6. Januar
IMRRS 2025, 0017
BGH, Beschluss vom 20.11.2024 - XII ZB 499/23
1. Dem Rechtsanwalt obliegt bei Versendung eines elektronischen Dokuments die Überprüfung des Versandvorgangs. Dazu gehört insbesondere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht erteilt worden ist. Bleibt eine solche aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.
2. Zwar kann der Rechtsanwalt die Überprüfung der erfolgreichen Versendung auf Angestellte delegieren. Dabei muss indessen sichergestellt werden, dass die Frist erst nach erfolgreicher und bestätigter Übermittlung gestrichen wird. Im Fall des Ausbleibens einer Übermittlungsbestätigung muss der Rechtsanwalt davon benachrichtigt werden, um gegebenenfalls die Versendung auf anderem Weg zu veranlassen.
3. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax.

Online seit 3. Januar
IMRRS 2025, 0002
BFH, Beschluss vom 05.11.2024 - XI R 10/22
1. Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht, wenn die das Dokument signierende (und damit verantwortende) Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt.*)
2. Der Inhaber eines beA darf sein Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen (z.B. Angestellte der Kanzlei) übertragen (Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts).*)

Online seit 2024
IMRRS 2024, 1570
BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - XII ZB 255/24
1. Den Nachweis über den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung erbringt der Rechtsmittelführer durch die Übermittlung des vom Ausgangsgericht mit der Zustellung als strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellten bzw. angeforderten elektronischen Empfangsbekenntnisses.*)
2. Ist die Gerichtsakte bei Eingang des Empfangsbekenntnisses bereits für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens an das Gericht des höheren Rechtszuges abgegeben, liegt es in der Organisationsverantwortung der Gerichte, für eine Zuordnung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zu dem zugestellten Dokument zu sorgen.*)

IMRRS 2024, 1527

OLG München, Beschluss vom 14.10.2024 - 11 W 1429/24
1. Der einfache und kostengünstige Weg zu einem Titel über die Vergütungsfestsetzung steht dem Rechtsanwalt dann nicht zur Verfügung, wenn der Auftraggeber (Mandant) nichtgebührenrechtliche Einwendungen erhebt, weil über deren Begründetheit bzw. nähere Einzelheiten im Verfahren der Vergütungsfestsetzung nicht zu entscheiden ist.
2. Behauptet der Auftraggeber (Mandant) die fristlose Kündigung des Anwaltsvertrags und die Folge der Nichtvergütung, der grundsätzlich geeignet wäre, den Vergütungsanspruch zu Fall zu bringen, liegt hierin eine Einwendung nichtgebührenrechtlicher Art.
3. Eine nähere Substantiierung der Einwendungen des Auftraggebers (Mandanten) ist nicht erforderlich. Unbeachtlich sind Einwendungen nur dann, wenn sie offensichtlich unbegründet, halt- und substanzlos oder aus der Luft gegriffen sind oder wenn ihre Widerlegung bereits aus den Akten möglich ist.

IMRRS 2024, 1528

BGH, Beschluss vom 14.10.2024 - AnwZ (Brfg) 25/24
1. Für die Beurteilung, ob eine Fallbearbeitung ausreichende praktische Erfahrungen auf dem betreffenden Fachgebiet vermittelt, ist danach zu unterscheiden, ob der Fall originär diesem Gebiet zuzurechnen ist oder ob er thematisch einem anderen Rechtsbereich unterfällt und lediglich Berührungspunkte zum relevanten Fachgebiet aufweist.
2. Fallbearbeitungen genügen nur dann für den Erwerb der erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen nur, wenn die Fälle einen konkret darzulegenden Bezug zu dem betreffenden Fachgebiet aufweisen.
3. Es obliegt dem Bewerber um den Fachanwaltstitel die Darlegung, welche rechtlichen Fragestellungen in welcher Form eine Rolle gespielt haben, um die gebotene Überprüfung zu ermöglichen, wozu er gegebenenfalls auch anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen hat.
