Immobilien- und Mietrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16176 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2021
IMRRS 2021, 0454
OLG Frankfurt, Urteil vom 04.03.2021 - 6 U 123/20
1. Die unwirksame Vollziehung einer einstweiligen Verfügung durch E-Mail des Antragstellervertreters kann als geheilt gelten, wenn der Beschluss, mit dem die einstweilige Verfügung angeordnet wird, dem Antragsgegner überobligatorisch von Amts wegen zugestellt wurde.*)
2. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB kann auch dann geltend gemacht werden, wenn sich die Gegenseite im Eilverfahren auf die Versäumung der Vollziehungsfrist beruft.*)

IMRRS 2021, 0450

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.03.2021 - 2 O 132/20
Das hohe Alter eines Zeugen begründet die Besorgnis, dass das Beweismittel verloren geht oder eine erschwerte Benutzung desselben eintritt, und rechtfertigt damit die Sicherung des Beweises durch ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 1 Alt. 2 ZPO. Als „hohes Alter“ in diesem Sinne kommt aber nur ein fortgeschrittenes Lebensalter in Betracht; von einem solchen ist auszugehen, wenn der potentielle Zeuge die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich überschritten hat.*)

IMRRS 2021, 0391

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.02.2021 - 3 S 2373/20
1. Die Befugnis, öffentlich-rechtliche Nachbaransprüche im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum geltend zu machen, steht nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes der Eigentümergemeinschaft als "geborene" Ausübungsbefugnis zu. Die anderslautende höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach es sich bei der Geltendmachung öffentlichrechtlicher Nachbaransprüche auch im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum lediglich um eine "gekorene" Ausübungsbefugnis handelt, ist durch die Gesetzesänderung obsolet geworden.*)
2. Die Festsetzung von Tiefgaragen nach § 12 Abs. 4 BauNVO und das hiermit verbundene Verbot oberirdischer Stellplätze ist als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung für einen Grundstückseigentümer im Plangebiet nachbarschützend.*)

IMRRS 2021, 0441

OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.03.2021 - 1 AR 631/21
Eine Gerichtsstandsbestimmung kann analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch in Fällen erfolgen, in denen eine allgemeine Zivilkammer und eine Kammer mit Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG jeweils verbindlich ihre funktionelle Zuständigkeit ablehnen und die Zuständigkeitsbestimmung aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu erfolgen hat.*)

IMRRS 2021, 0442

BGH, Beschluss vom 23.02.2021 - VI ZR 44/20
Zur Verletzung rechtlichen Gehörs durch Übergehen eines erheblichen Beweisantrags.*)

IMRRS 2021, 0437

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.01.2021 - VGH B 71/20
Zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle der Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht zur Einlegung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid.*)

IMRRS 2021, 0436

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.03.2021 - 2 W 473/21
1. Im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren ist die Kostenvereinbarung eines gerichtlichen Vergleichs der Parteien anhand des Wortlauts umzusetzen. Demgemäß ist die Heranziehung und Würdigung von im Wortlaut des Kostentitels nicht angedeuteten Umständen unzulässig.*)
2. "Außergerichtliche Kosten" sind die Kosten eines Rechtsstreits, die nicht zu den Gerichtskosten gehören. Anwaltsgebühren sind dabei nur insoweit Prozesskosten und zählen als solche zu den außergerichtlichen Kosten, als sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten. Kosten einer vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit sind von ihnen nicht umfasst.

IMRRS 2021, 0429

LG Lübeck, Beschluss vom 31.03.2021 - 7 T 127/21
Ein nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ergangener Kostenbeschluss ist auch dann im Beschwerdeverfahren aufzuheben, wenn die Klage erst nach dem Kostenbeschluss erhoben worden ist (a.A. OLG Karlsruhe, IBR 2008, 488, und OLG Koblenz, Beschluss vom 27.02.2015 - 3 W 99/15, IBRRS 2015, 0517 = IMRRS 2015, 0298).*)

IMRRS 2021, 0403

BGH, Beschluss vom 09.03.2021 - II ZB 16/20
Zur Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit im Urkundenprozess.*)

IMRRS 2021, 0398

OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2021 - 13 U 1810/20
1. Steht ein Richter in einem Verwandtschaftsverhältnis zu dem Prozessbevollmächtigten einer Partei (hier: Rechtsanwalt ist Cousin eines Richters), so besteht die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO jedenfalls dann, wenn zur bloßen Verwandtschaft ein regelmäßiger persönlicher Kontakt zwischen Richter und Rechtsanwalt hinzukommt.*)
2. Dass der verwandte Rechtsanwalt lediglich in einem früheren Verfahrensstadium, in welchem der betreffende Richter noch nicht mit dem Verfahren befasst war, als Prozessbevollmächtigter tätig war (hier: anwaltliche Tätigkeit nur in erster Instanz, verwandter Richter im Berufungsverfahren), steht der Annahme der Besorgnis der Befangenheit nicht entgegen.*)

IMRRS 2021, 0402

BGH, Beschluss vom 10.03.2021 - V ZR 174/20
1. Der gem. § 49a GKG a.F. bestimmte Streitwert entspricht in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer.
2. Streiten die Parteien um die Neu- oder Wiederbestellung des Verwalters, richtet sich die Beschwer des Rechtsmittelklägers nach seinem Anteil an dem Verwalterhonorar.

IMRRS 2021, 0367

OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.02.2021 - 17 W 23/20
Erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Aufhebung der Versagung von Baukindergeld und zugleich zur Stattgabe des Antrags auf Zuschusserteilung, richtet sich die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 3 ZPO. Maßgeblich ist danach das Interesse des Klägers an der Gesamtförderung und nicht etwa der 3,5-fache Jahresbetrag der Förderung.*)

IMRRS 2021, 0410

BGH, Urteil vom 16.03.2021 - VI ZR 773/20
1. Der Umfang der Bindungswirkung eines Verwaltungsakts wird von dessen Regelungsinhalt bestimmt und durch diesen begrenzt. Der Regelungsinhalt der Versetzung eines unfallverletzten Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit erstreckt sich nicht auf die Frage, ob und für welchen Zeitraum die Dienstunfähigkeit eine adäquate Folge des Unfalls ist.*)
2. An rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten sind Zivilgerichte nur im Rahmen der in § 121 VwGO geregelten Rechtskraftwirkung gebunden. Gegenüber Personen, die an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt waren und denen somit in diesem Verfahren auch kein rechtliches Gehör gewährt wurde, kann eine gerichtliche Entscheidung in einem späteren Schadensersatzprozess grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten.*)

IMRRS 2021, 0400

BGH, Urteil vom 25.02.2021 - IX ZR 156/19
Die Zustellung der Klage in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgt "demnächst", wenn der Kläger sie mit einer durch das Gericht einzuholenden Übersetzung beantragt und den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuss unverzüglich einzahlt.*)

IMRRS 2021, 0380

OLG Bremen, Beschluss vom 12.11.2020 - 4 WF 67/20
1. Bei einem Antrag auf Zustimmung des getrennt lebenden Ehepartners zur Kündigung des gemeinsam geschlossenen Wohnraummietvertrages handelt es sich um eine Familienstreitsache i.S.v. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.*)
2. Der Verfahrenswert richtet sich in einem solchen Verfahren in der Regel nach der Jahresnettomiete.*)

IMRRS 2021, 0406

BGH, Beschluss vom 23.02.2021 - VIII ZR 213/20
1. Erlässt das Berufungsgericht unter offenkundiger Verkennung der Voraussetzungen des § 313a Abs. 1, § 540 Abs. 2 ZPO und damit unter Missachtung der an ein Protokollurteil gem. § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen ein Urteil, das weder tatbestandliche Feststellungen noch eine rechtliche Begründung enthält, ist im Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision zu unterstellen, dass das Berufungsgericht das in den Tatsacheninstanzen gehaltene und im Beschwerdeverfahren angeführte Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hinreichend i.S.d. Art. 103 Abs. 1 GG zur Kenntnis genommen hat und die Entscheidung des Berufungsgerichts hierauf beruht (in Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 18.07.2007 - XII ZR 87/05, Rz. 26 i.V.m. 24, IMRRS 2007, 2564; vom 18.09.2012 - VI ZR 51/12, Rz. 1, IMRRS 2012, 2786 = NJW-RR 2012; vom 16.05.2017 - VI ZR 25/16, Rz. 12 ff., IMRRS 2017, 1777 = NJW 2017, 2561).*)
2. Zu den Voraussetzungen an eine ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen sog. Betriebsbedarfs.*)

IMRRS 2021, 0401

BGH, Urteil vom 29.01.2021 - V ZR 158/20
1. Fehlen tatsächliche Feststellungen im Berufungsurteil oder sind sie derart lückenhaft, dass sich die tatsächlichen Gründe der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ist eine revisionsrechtliche Prüfung nicht möglich. In einem solchen Fall liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung des Berufungsurteils zur Folge hat.
2. Gleiches gilt, wenn sich die Berufungsanträge nicht aus dem Berufungsurteil ergeben.
3. In dem Satz "Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen" kann keine Bezugnahme auf die Feststellungen des Amtsgerichts gesehen werden; denn er besagt nichts darüber, auf welchen tatsächlichen Feststellungen das erstinstanzliche Urteil beruht.

IMRRS 2021, 0318

OLG Köln, Urteil vom 11.10.2018 - 3 U 45/16
Wird in einem auslegungsbedürftigen Streitverkündungsschriftsatz auf bestimmte Schadensersatzansprüche Bezug genommen, erstreckt sich die Hemmung der Verjährung nicht auch auf den später geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten.

IMRRS 2021, 0390

OVG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 16.03.2021 - 14 B 151/21
ohne amtlichen Leitsatz

IMRRS 2021, 0384

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - VIII ZR 346/19
Wird der Rechtsstreit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, kommt es für die nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffende Kostenentscheidung darauf an, ob die Beschwerde voraussichtlich zur Zulassung der Revision geführt hätte und - falls dies zu bejahen ist - welchen Ausgang der weitere Rechtsstreit im Anschluss daran voraussichtlich genommen hätte (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 09.06.2010 - XII ZR 183/08, IBRRS 2010, 2814 = IMRRS 2010, 2058).*)

IMRRS 2021, 0379

BayObLG, Beschluss vom 18.11.2020 - 101 AR 119/20
1. Die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann nicht nur im Vorfeld einer Klage, sondern grundsätzlich auch noch dann erfolgen, wenn bereits Klage erhoben worden ist (ebenso BGH, Beschluss vom 14.07.2020 - X ARZ 156/20, IBRRS 2021, 0579 = IMRRS 2021, 0214).
2. Ansprüche im Verhältnis mehrerer Mieter untereinander aus einer Vereinbarung, die zwischen den Mietern zum Ausgleich der Mietsicherheitsleistung und damit lediglich aus Anlass eines Mietverhältnisses geschlossen worden ist, aber selbst kein Mietverhältnis begründet hat, werden von § 29a Abs. 1 ZPO nicht erfasst.

IMRRS 2021, 0389

AG Heidelberg, Beschluss vom 19.03.2021 - 45 C 2/21
1. Sieht die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, ist die Klage gegen den Verwalter und nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten.*)
2. Dies gilt auch für eine Klage auf Nachweis der Verwaltereigenschaft durch öffentlich beglaubigte Urkunde.*)
3. Inhaber des Anspruchs ist der veräußernde Wohnungseigentümer.*)

IMRRS 2021, 0378

BGH, Beschluss vom 10.02.2021 - XII ZB 4/20
Der krankheitsbedingte Ausfall des Rechtsanwalts am letzten Tag der Frist rechtfertigt für sich genommen noch keine Wiedereinsetzung. An einer schuldhaften Fristversäumung fehlt es nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Verlängerungsantrag gestellt werden konnte; dies ist glaubhaft zu machen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20.12.2017 - XII ZB 213/17, NJW-RR 2018, 383 = IBRRS 2018, 0362 = IMRRS 2018, 0144).*)

IMRRS 2021, 0366

OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.02.2021 - 22 W 5/21
1. Reicht eine nicht anwaltlich vertretene Partei Klage beim Landgericht ein und nimmt sie später zurück, ist die Gerichtsgebühr entstanden.*)
2. Unter den Voraussetzungen des § 21 GKG kann in diesem Fall von einer Erhebung abgesehen werden.*)

IMRRS 2021, 0362

OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2021 - 6 U 138/19
1. Ein Urteil kann nicht mit der Begründung angefochten werden, ein dem Urteil vorangegangener, die Ablehnung eines Sachverständigen als unbegründeter klärender Beschluss sei unrichtig.
2. Daher kann auch nicht gerügt werden, das Vorgericht habe das ihm zustehende Ermessen bei der Auswahl des Sachverständigen missbraucht.
3. Diese Grundsätze gelten auch für das Berufungsverfahren im Verhältnis zu einem in erster Instanz zurückgewiesenen Ablehnungsgesuch.

IMRRS 2021, 0365

VG München, Urteil vom 08.10.2020 - M 12 K 18.1072
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines qualifizierten Mietspiegels nach § 558d BGB ist unzulässig. Effektiver Rechtsschutz besteht vor den Zivilgerichten.*)

IMRRS 2021, 0363

BGH, Beschluss vom 25.02.2021 - V ZR 166/20
1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 Euro übersteigt, abändern lassen will.
2. Bei der Verurteilung, eine Willenserklärung abzugeben, ist das wirtschaftliche Interesse an dem Nichteintritt der mit der Erklärung verbundenen Folgen maßgeblich.
3. Bei der Verurteilung zur Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung und deren Eintragung in das Grundbuch ist entscheidend, inwieweit der Verkehrswert des Wohnungseigentums durch die Neufassung der Teilungserklärung gemindert wird.

IMRRS 2021, 0358

VGH Bayern, Beschluss vom 16.03.2021 - 20 CE 20.2940
1. Die Mitwirkung eines Richters an einem anderen Gerichtsverfahren des die Ablehnung aussprechenden Beteiligten oder die Mitwirkung an einer früher ergangenen und für den Beteiligten ungünstigen oder ihn enttäuschenden Entscheidung vermag die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht zu begründen.
2. Um in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, müssen besondere Umstände hinzutreten. Verständiger Anlass zu einem aus einer Vorbefassung hergeleitetem Misstrauen eines Beteiligten gegen die Unparteilichkeit eines Richters besteht erst dann, wenn sich aufgrund besonderer zusätzlicher Umstände der Eindruck einer unsachlichen, durch Voreingenommenheit oder gar Willkür geprägten Einstellung des Richters aufdrängt.

IMRRS 2021, 0357

BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - XII ZB 503/20
1. Im Verfahren betreffend die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts darf das Gericht unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Satz 1 FamFG ausnahmsweise dann von der Anhörung des Betroffenen bzw. von der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks absehen, wenn eine Vorführung des Betroffenen (§ 278 Abs. 5 FamFG) unverhältnismäßig ist und das Gericht zuvor sämtliche nicht mit Zwang verbundenen Versuche - einschließlich des Versuchs einer Anhörung in der gewöhnlichen Umgebung - unternommen hat, um den Betroffenen zu befragen oder sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 02.07.2014 - XII ZB 120/14, FamRZ 2014, 1543).*)
2. Der pauschale Verweis des Gerichts auf die mit der Corona-Pandemie verbundenen Gesundheitsgefahren ist nicht geeignet, das Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen zu rechtfertigen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 14.10.2020 - XII ZB 235/20, FamRZ 2021, 138, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).*)
3. Ein Einwilligungsvorbehalt kann nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 09.05.2018 - XII ZB 577/17, FamRZ 2018, 1193).*)
4. Ein Einwilligungsvorbehalt kann nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17.05.2017 - XII ZB 495/16, FamRZ 2017, 1341).*)

IMRRS 2021, 0355

BGH, Beschluss vom 16.02.2021 - VI ZR 1104/20
Stellen sich in einem Schadensersatzprozess wegen Produkthaftung medizinische Fragen, dürfen weder an den klagebegründenden Sachvortrag einer Partei noch an ihre Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten hohe Anforderungen gestellt werden.*)

IMRRS 2021, 0347

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 18.02.2021 - 2-20 O 44/20
Eine Klage auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f BGB ist nicht deshalb unzulässig, weil der Auftragnehmer gegen den Auftraggeber in einem Parallelprozess ausstehenden Werklohn einfordert. Beide Ansprüche können angesichts unterschiedlicher Streitgegenstände – auch gesondert – verfolgt werden.

IMRRS 2021, 0343

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.02.2021 - 17 W 5/21
Der Antrag, einen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, kann im selbständigen Beweisverfahren innerhalb der Frist zur Stellungnahme gem. § 411 Abs. 4 ZPO gestellt werden. Die angemessene Frist zur Geltendmachung weiterer Einwendungen berechnet sich grundsätzlich nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch.*)

IMRRS 2021, 0346

BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - VII ZB 55/18
Kosten, die einer Partei durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, sind außergerichtliche Kosten der Partei. Sie sind daher, sofern nichts anderes vereinbart wird, bei einer durch Prozessvergleich vereinbarten Kostenaufhebung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu erstatten.*)

IMRRS 2021, 0341

BGH, Beschluss vom 11.02.2021 - V ZR 137/20
Zu der von dem Gesetz geforderten eigenverantwortlichen Prüfung des Inhalts der Berufungsbegründungsschrift durch den unterzeichnenden Rechtsanwalt.*)

IMRRS 2021, 0805

BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - V ZB 36/19
1. In der Beschlussanfechtung gegen die Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung eines (weiteren) erheblichen Vorschusses auf die Kosten des gerichtlichen Sachverständigen entspricht das Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers seinem Anteil an der Sonderumlage.
2. Verteidigen die übrigen Wohnungseigentümer den gefassten (positiven oder negativen) Beschluss, bemisst sich ihr - aus den Einzelbelastungen zusammengerechnetes - Interesse nach dem Nennbetrag der Umlage abzüglich des Anteils der anfechtenden Partei, und zwar auch dann, wenn aus der erstrebten Abweisung der Beschlussanfechtung bei wirtschaftlicher Betrachtung kein unmittelbarer Nutzen mehr folgt, weil die Klagepartei den durch Sonderumlage aufzubringenden Kostenvorschuss aus eigenen Mitteln bei Gericht eingezahlt hat, um dem Baumängelverfahren gegen den Bauträger Fortschritt zu geben.

IMRRS 2021, 0330

KG, Beschluss vom 21.01.2021 - 4 U 1048/20
Die einseitige Erledigungserklärung führt zwar dazu, dass sich der Gebührenstreitwert auf das Kosteninteresse reduziert (BGH, NJOZ 2017, 171). Das gilt allerdings nicht, wenn an der – nunmehr noch inzident vorzunehmenden – Entscheidung über die Sache selbst ein besonderes Interesse besteht.

IMRRS 2021, 0335

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.10.2020 - 12 W 24/20
Wird der Hilfsantrag auf Kappen eines Baumes sofort anerkannt, liegt kein Fall des § 93 ZPO vor, wenn der Beklagte mit Anwaltsschreiben aufgefordert worden war, den Baum "entweder zu entfernen oder auf eine Höhe zu kappen, die keine Gefahr mehr darstellt".

IMRRS 2021, 0326

BGH, Beschluss vom 23.02.2021 - VI ZR 1191/20
Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer bei der Anrechnung von gezogenen Nutzungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs nach § 249 BGB.*)

IMRRS 2021, 0327

BGH, Beschluss vom 18.02.2021 - IX ZB 6/20
1. Der Anspruch auf Einziehung von Wertersatz wird insolvenzrechtlich mit der Erlangung des Gegenstands begründet.*)
2. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren zwingend dem Kollegium zu übertragen.
3. Bejaht er mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist.

IMRRS 2021, 0325

BGH, Beschluss vom 18.02.2021 - III ZR 79/20
1. In Verfahren, in denen ein bayerisches Berufungsgericht die Revision zulässt, hat dieses nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO gleichzeitig über die Zuständigkeit entweder des Bayerischen Obersten Landesgerichts oder des Bundesgerichtshofs für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zu befinden.*)
2. Die versehentlich unterbliebene Entscheidung über das zuständige Revisionsgericht kann das Berufungsgericht mit Bindungswirkung durch Berichtigungsbeschluss gemäß § 319 Abs. 1 ZPO nachholen. Bestimmt das Berufungsgericht nachträglich das Bayerische Oberste Landesgericht als Revisionsgericht, ist diese Entscheidung auch für den Bundesgerichtshof gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 EGZPO bindend. Dieser erklärt sich entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 2 EGZPO für unzuständig und übersendet die Prozessakten dem Bayerischen Obersten Landesgericht.*)

IMRRS 2021, 0322

OLG Dresden, Beschluss vom 17.02.2021 - 1 W 943/20
Die Ablehnung eines Terminverlegungsgesuchs, das nur damit begründet wurde, dass die Anreise des 70-jährigen Klägers, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden war, und seine Prozessbevollmächtigten zum Termin wegen der Covid-19-Pandemie unzumutbar sein, vermag die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen.*)

IMRRS 2021, 0320

BGH, Beschluss vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20
War im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ein Zulassungsgrund gegeben und ist dieser zwischenzeitlich durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in anderer Sache entfallen, ist die Revision zuzulassen, wenn dem Rechtsmittel Erfolgsaussichten beizumessen sind.*)

IMRRS 2021, 0312

OLG Hamburg, Beschluss vom 01.03.2021 - 4 U 90/19
1. Bei gleichzeitiger Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Werklohn und auf Leistung einer Sicherheit nach § 650f BGB bemisst sich der Streitwert nach der Höhe der Werklohnforderung zuzüglich eines Betrags von 1/3 des Wert der zu sichernden Forderung.*)
2. Gleiches gilt, wenn neben dem Anspruch auf Zahlung von Werklohn ein Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek nach § 650e BGB geltend gemacht wird.*)
3. Der Streitwert des Anspruchs auf Leistung einer Sicherheit nach § 650f BGB ist mit dem vollen Wert der zu sichernden Forderung anzusetzen.*)
4. Der Wert einer Klage auf Herausgabe einer Urkunde über eine Gewährleistungsbürgschaft bemisst sich auf 1/4 des Bürgschaftsbetrags, wenn der Besteller mit der Herausgabeklage keine drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft verhindern will, sondern es ihm allein oder ganz überwiegend darum geht, weitere Bürgschaftskosten zu vermeiden.*)

IMRRS 2021, 0299

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.01.2021 - 4 U 208/20
1. Bei einem entgeltlichen Hausverwaltervertrag handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit überwiegend dienstvertraglichem Charakter, auf den die Regeln des Dienstvertragsrechts und des Auftragsrechts Anwendung finden.
2. Dem Auftraggeber eines Geschäftsbesorgungsvertrags steht zwar gegen den Geschäftsbesorger grundsätzlich ein Anspruch auf Rechnungslegung und Herausgabe von Unterlagen zu, allerdings erst nach Beendigung des Auftrags, sofern der Geschäftsbesorger diese Unterlagen für seine Tätigkeit benötigt.
3. Allein die Tatsache, dass eine Pflicht aus einem Vertrag verletzt worden ist, rechtfertigt im Regelfall nicht eine außerordentliche Kündigung, sondern setzt zusätzlich eine Abmahnung voraus, die dem Vertragspartner deutlich macht, dass der Vertrag bei Fortsetzung des Verhaltens gekündigt werden wird.
4. § 626 Abs. 2 BGB ist auf alle außerordentlichen Kündigungen von Dienstverträgen anzuwenden; dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist.
5. Grundsätzlich kann eine Kündigungserklärung auch durch einen Anwaltsschriftsatz im Rahmen eines Rechtsstreits erfolgen, dies setzt allerdings voraus, dass eindeutig erkennbar ist, dass mit dem prozessualen Schriftsatz auch eine materiell-rechtliche Willenserklärung abgegeben und nicht nur eine bereits außerprozessual erklärte Kündigung durchgesetzt werden soll.

IMRRS 2021, 0315

LAG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2021 - 12 Sa 453/20
1. Die Zuschaltung der Parteivertreter bei einer Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung aus der Kanzlei bzw. dem Homeoffice steht im Einklang mit § 128a Abs. 1 ZPO. Der "andere Ort" im Sinne dieser Bestimmung ist nicht auf einen Gerichtssaal bzw. vom Gericht zur Verfügung gestellten Raum beschränkt. Eine inhaltliche Beschränkung des "anderen Orts" enthält § 128a ZPO nicht.*)
2. Es ist Aufgabe des Gerichts, dafür zu sorgen, dass eine ordnungsmäße und dem Wesen einer Gerichtsverhandlung angemessene mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Wo dies nicht der Fall ist, d. h. kein angemessener Ort gewählt wird (Schwimmbad, Kneipe, Fußballplatz), kann die Bild- und Tonübertragung unter- oder abgebrochen werden. In Betracht kommt außerdem die Anwendung von Ordnungsmitteln.*)
3. Die so verstandene Auslegung von § 128a ZPO, welche dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzesbegründung und dem Normzweck entspricht, ist in Zeiten einer epidemischen Lage auch gem. Art. 19 Abs. 4 GG geboten. In besonderen Lagen - wie derzeit - kann die audio-visuelle Verhandlung zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Justiz und zum Schutz der Individualrechtsgüter von Gerichtspersonen, Parteien, Bevollmächtigten und Zeugen genutzt werden.*)
4. Eine Altersgrenze von 55 Jahren als Zugangsvoraussetzung für einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung ist zulässig. Sie beinhaltet weder eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters noch wegen des Geschlechts. Das Abstellen auf ein typisches Erwerbsleben innerhalb der Angemessenheitsprüfung zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters begründet bei einem Zugangsalter von 55 Jahren keine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts.*)

IMRRS 2021, 0173

OLG Dresden, Beschluss vom 07.01.2021 - 6 W 832/20
1. Die Streitverkündung gegenüber einer Partei des Rechtsstreits ist unstatthaft und damit unzulässig. Die Parteien eines Rechtsstreits sind keine Dritten.
2. Der Streitverkündungsempfänger kann die Unzulässigkeit der Streitverkündung bereits im Erstverfahren rügen und feststellen lassen.

IMRRS 2021, 0309

BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - VII ZB 8/21
1. Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren.
2. Geht das Berufungsgericht mit rechtlich unhaltbaren Erwägungen davon aus, dass die Berufungsschrift auch durch Auslegung nicht zweifelsfrei erkennen lässt, für wen das Rechtsmittel eingelegt worden sei, verweht es dem Berufungskläger den Zugang zur Berufungsinstanz in grob rechtsfehlerhafter Weise.

IMRRS 2021, 0301

LG Potsdam, Urteil vom 10.09.2020 - 12 O 48/20
(Ohne amtlichen Leitsatz)

IMRRS 2021, 0302

BayObLG, Beschluss vom 10.02.2021 - 101 AR 154/20
Zur Frage der Bindungswirkung i.S.d. § 35 ZPO bei objektiver Klagehäufung mit fehlerbehafteter Wahl für einzelne Ansprüche.*)

IMRRS 2021, 0298

OLG Dresden, Beschluss vom 06.01.2021 - 4 U 1928/20
Die gebotene Anhörung des Antragsgegners vor Erlass einer einstweiligen Verfügung kann im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden.*)
