Immobilien- und Mietrecht.

IBR 8/2025 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht erfolgt die Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen und geänderten sowie zusätzlichen Leistungen im VOB/B-Vertrag nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.08.2019 ( IBR 2019, 536) nur noch dann auf der Basis der Urkalkulation nach dem Grundsatz „guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“, wenn die Parteien sich nicht oder nicht insgesamt auf einen neuen (Einheits-)Preis einigen können und sie sich auf eine derartige Berechnungsmethode geeinigt haben. In einem solchen Fall muss der Auftragnehmer bei einem Streit über die Höhe der Nachtragsforderung nach obergerichtlicher Rechtsprechung seine Auftrags-/Urkalkulation offenlegen, andernfalls wird seine Nachtragsforderung als nicht prüfbar angesehen (siehe z.B. OLG Dresden,
IBR 2015, 118). Was aber gilt, wenn der neue Preis nicht aus der Urkalkulation hergeleitet werden kann? Muss der Auftragnehmer dann im Nachhinein eine entsprechend plausible (Nach-)Kalkulation erstellen (dafür z.B. OLG Köln,
IBR 2016, 570)? Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 27.03.2025 ist das jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Parteien für den Fall der fehlenden Aussagekraft der Urkalkulation keine Nachkalkulation vorgesehen haben. Gehen die Parteien vielmehr übereinstimmend davon aus, dass die tatsächlich angefallenen Kosten zumindest im Grundsatz eine brauchbare Grundlage für die Ermittlung der Kosten sind, liegt eine konkludente Einigung dahingehend vor, dass die Nachtragsvergütung hilfsweise unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Kosten zu finden ist (
S. 394).
Auf vielen Baustellen kommt es derzeit – vielfach aufgrund fehlender Pläne, nicht rechtzeitig fertig gestellter Vorunternehmerleistungen und/oder einer unzureichenden Baustellenkoordinierung – zu Arbeitseinstellungen oder – jedenfalls aus Sicht des Auftraggebers – unzureichender Baustellenbesetzung. Das führt regelmäßig dazu, dass die vereinbarten Fertigstellungstermine nicht eingehalten werden und auftraggeberseits entweder eine vereinbarte Vertragsstrafe oder Verzugsschadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Wird ein Vertragstermin überschritten, wird das Verschulden des Auftragnehmers an der Terminüberschreitung vermutet, d.h. der Auftragnehmer muss sich entlasten und das fehlende Verschulden an der Verzögerung darlegen und beweisen (BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 43/15, Rz. 24, IBRRS 2015, 3284). Dieser Beweis kann nicht allein durch die Vorlage von Behinderungsanzeigen und – im Idealfall vorhandenen – Behinderungsabmeldungen geführt werden. Vielmehr hat der Auftragnehmer dem KG zufolge darzulegen, wie sich die Störungen, auf die er sich beruft, konkret auf den Ablauf des Bauvorhabens ausgewirkt haben (sog. bauablaufbezogene Darstellung) ( S. 397).
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist eine Entscheidung des OLG Brandenburg hervorzuheben, die sich eingehend mit zahlreichen praxisrelevanten Fragen rund um die Kostenermittlung und -verfolgung auseinandersetzt. Denn während die Haftung für die Nichteinhaltung einer Baukostenobergrenze zum Standardrepertoire der Rechtsprechung gehört, sind Entscheidungen zur Vertragsgemäßheit der Kostenplanung und -verfolgung vergleichsweise rar gesät. Der Senat stellt zunächst klar, dass eine Kostenberechnung mangelhaft ist, wenn die Mengen unzutreffend ermittelt sind und die angesetzten Einheitspreise nicht den ortsüblichen Preisen entsprechen ( S. 411). Dabei kann der Planer auf Erfahrungswerte oder Kostenkennwerte aus Baukostendatenbanken zurückgreifen, soweit diese auf das vertragsgegenständliche Objekt übertragbar sind (
S. 412). Eine „Toleranz“ könne der Planer nur i.H.v. 10% in Anspruch nehmen und auch nur dann, wenn die ursprüngliche Kostenberechnung mangelfrei war (
S. 413).
Im Vergaberecht hat der Europäische Gerichtshof am 05.06.2025 entschieden, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Transparenzgebot dahin auszulegen sind, dass sie es verbieten, auf einen Vertrag über Bauleistungen durch gerichtliche Auslegung analog nationale Rechtsvorschriften über die Garantie im Bereich von Kaufverträgen anzuwenden, deren Inhalt weder in den Ausschreibungsunterlagen noch in diesem Vertrag über Bauleistungen ausdrücklich angegeben wurde, wenn die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt nicht hinreichend klar und vorhersehbar ist ( S. 418).
Hervorzuheben ist schließlich die Entscheidung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23.05.2025 in der Rubrik Immobilien. Nach Ansicht des u.a. für das Immobilienrecht zuständigen V. Zivilsenats tragen DIN-Normen die Vermutung in sich, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben und Sanierungsarbeiten deshalb grundsätzlich DIN-gerecht auszuführen sind ( S. 429). Der u.a. für das Bau- und Architektenrecht zuständige VII. Zivilsenat sieht das allerdings anders. In seiner Rechtsprechung existiert eine entsprechende Vermutung nicht. Der VII. Zivilsenat hat mehrfach entschieden, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die nicht anerkannte Regeln der Technik darstellen müssen (siehe z.B. BGH,
IBR 1998, 377). In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz) (veröffentlicht in BauR 2024, 1725 ff.) hat der VII. Senat darauf hingewiesen, dass DIN-Normen als technische Regelungen von demokratisch nicht legitimierten Arbeitsausschüssen in einem nicht transparenten, der Öffentlichkeit unzugänglichen Verfahren ausgearbeitet werden. Wie die Empfehlungen zu Stande kommen, insbesondere, inwieweit die Ausschüsse von individuellen wirtschaftlichen Interessen beeinflusst werden, ist nicht nachvollziehbar. Die Parteien und Gerichte gleichwohl an DIN-Normen grundsätzlich zu binden, ist deshalb nach Ansicht der höchsten deutschen „Baurichter und -richterinnen“ rechtsstaatlich bedenklich.
Auch alle anderen Beiträge empfehlen wir Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Geschäftsführender Herausgeber der IBR
Thomas Ryll
Rechtsanwalt
Schriftleiter der IBR