Immobilien- und Mietrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Prozessrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei imr-online eingestellt
Online seit gestern
IMRRS 2024, 0634OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2024 - 8 W 7/24
1. Gegenanträge sind im selbständigen Beweisverfahren nur zulässig, wenn sie rechtzeitig gestellt werden und nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen (Anschluss OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.09.2002 - 13 W 2914/02, IBRRS 2003, 1704 = IMRRS 2003, 0677).*)
2. Eine Beweisanordnung kommt - auch im selbständigen Beweisverfahren - nicht in Betracht, wenn sie eine Bauteilöffnung in einer Wohnung erfordert, der der Berechtigte nicht zustimmt.*)
VolltextOnline seit 3. Mai
IMRRS 2024, 0609BAG, Beschluss vom 21.03.2024 - 2 AZN 785/23
Die Partei, die die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, hat den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Der Beweisführer muss sich nicht dazu äußern, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung hat.
VolltextOnline seit 2. Mai
IMRRS 2024, 0596BGH, Beschluss vom 26.03.2024 - VIII ZR 89/23
Zur Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Inanspruchnahme eigener Sachkunde des Gerichts im Rahmen der Schadensschätzung (hier entgangener Gewinn, § 252 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO; im Anschluss an BVerfG, NJW 2003, 1655, unter II. 1.; BVerfG, Beschluss vom 09.10.2007 - 2 BvR 1268/03, BeckRS 2007, 28255; ; BVerfG, NJW 2021, 50, Rz. 20; BGH, Urteil vom 06.12.1995 - VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584, unter II. 3. b) cc); Beschluss vom 09.01.2018 - VI ZR 106/17, Rz. 16, IBR 2018, 424 = NJW 2018, 2730).*)
VolltextOnline seit 30. April
IMRRS 2024, 0583BVerfG, Beschluss vom 04.03.2024 - 2 BvR 184/22
1. Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Verfahrensbeteiligten das Recht, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG dem Verfahrensbeteiligten, sich nicht nur zum Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern.
2. Grundsätzlich verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen.
3. Lediglich in besonderen Fällen ist es von Verfassungs wegen geboten, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zu Grunde legen will. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Art. 103 Abs. 1 GG enthält damit ein auf die Rechtslage bezogenes Verbot von Überraschungsentscheidungen.
4. Die Parteien eines Berufungsverfahrens dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihnen das Berufungsgericht, wenn es in einem entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt von der Rechtsauffassung des vorinstanzlich mit der Sache befassten Gerichts abweicht, einen Hinweis gem. § 139 ZPO erteilt.
5. Den Parteien ist im Berufungsverfahren nach einem Hinweis des Berufungsgerichts, dass und aufgrund welcher Erwägungen es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, auch Gelegenheit zu geben, ihren Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten.
VolltextOnline seit 26. April
IMRRS 2024, 0571OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.03.2024 - 21 W 13/24
1. Die Frage der Zulässigkeit einer Streitverkündung ist grundsätzlich nicht im Hauptprozess, sondern erst im Folgeprozess zwischen dem Streitverkünder und dem Streitverkündungsempfänger zu prüfen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Streitverkündung nicht statthaft ist.
2. Die Streitverkündung kann nur einem Dritten gegenüber erklärt werden. Keine Dritten in diesem Sinne sind - insoweit bereits denklogisch - die Parteien selbst.
3. Eine unstatthafte Streitverkündung muss nicht zugestellt werden.
VolltextOnline seit 24. April
IMRRS 2024, 0557BGH, Beschluss vom 14.03.2024 - V ZB 2/23
Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - XII ZB 88/23, IBRRS 2024, 0706 = BeckRS 2024, 2621).*)
VolltextOnline seit 22. April
IMRRS 2024, 0543OLG Hamm, Urteil vom 06.03.2024 - 12 U 127/22
1. Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.*)
2. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.*)
3. Es ist den Parteien nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen.*)
VolltextIMRRS 2024, 0512
LG Itzehoe, Beschluss vom 24.05.2023 - 11 T 46/22
Bei der Anfechtungsklage gegen einen Nichtbeschluss beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf die Feststellung, dass ein Beschluss nicht gefasst wurde. Eine auch nicht potentielle inhaltliche Prüfung des von dem "Nichtbeschluss" erfassten Streitgegenstands erfolgt nicht. Damit ist lediglich der Mindeststreitwert anzusetzen.
VolltextOnline seit 19. April
IMRRS 2024, 0555LG Ulm, Beschluss vom 23.06.2023 - 2 O 292/19
1. Der Sachverständige erhält die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Sachverständige nicht rechtzeitig auf die Vorschussüberschreitung hingewiesen hat.
2. Sinn und Zweck der Hinweispflicht ist nicht die Vermeidung von Gutachterkosten, sondern die Vermeidung der Überraschung der Parteien mit unerwartet hohen Kosten.
3. Die Mitteilung des Sachverständigen, dass der eingeholte Auslagenvorschuss erschöpft sei und für die Beantwortung der Fragen des Gerichts mit 30.000 Euro zu rechnen sei, erfolgt rechtzeitig, wenn sie einen Monat vor Abgabe des Gutachtens erfolgt.
VolltextIMRRS 2024, 0530
OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2024 - 17 W 42/24
1. Die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (BGH, IBR 2012, 431).
2. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war. Hierzu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag (BGH, a.a.O.; OLG Köln, IBR 2010, 1129 - nur online).
VolltextOnline seit 18. April
IMRRS 2024, 0532BGH, Beschluss vom 09.11.2023 - I ZB 32/23
1. Unter die Geschäftsgeheimnisstreitsachen i.S.d. § 16 Abs. 1 GeschGehG fallen auch selbständige Beweisverfahren.*)
2. Soweit § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG die Anfechtbarkeit von Anordnungen nach § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG beschränkt, gilt dies nicht für in einem selbständigen Beweisverfahren ergangene Anordnungen. Insbesondere kann ein dem selbständigen Beweisverfahren eventuell nachfolgendes Klageverfahren nicht als Hauptsache i.S.d. § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG zu dem selbständigen Beweisverfahren angesehen werden.*)
VolltextOnline seit 15. April
IMRRS 2024, 0520LG Darmstadt, Urteil vom 18.03.2024 - 18 O 7/24
Ein Terminverlegungsantrag, der zu einer Verzögerung von drei Wochen führt, kann die Annahme einer fehlenden Dringlichkeit rechtfertigen.*)
VolltextOnline seit 10. April
IMRRS 2024, 0472AG Karlsruhe, Urteil vom 09.08.2023 - 3 C 294/23
1. Wird durch einen Mieter die gerichtliche Feststellung seiner Minderungsberechtigung wegen eines Mietmangels begehrt, ist ein unbezifferter Antrag zulässig.
2. Eine Klage auf Feststellung des Rechts zur Mietminderung ist hinreichend begründet, wenn die Mängel substanziiert dargelegt werden.
3. Wirkt sich ein Mangel nur periodisch in einem vorhersehbaren Zeitraum erheblich auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aus, ist die Mietminderungsquote der jeweiligen Jahreszeit entsprechend anzupassen.
4. Bei Ausfall der Heizung im Wohnzimmer ist während der Wintermonate eine Minderung um 30%, in den Sommermonaten um 5% gerechtfertigt.
VolltextOnline seit 9. April
IMRRS 2024, 0491BGH, Urteil vom 01.02.2024 - VII ZR 171/22
1. Der Auftraggeber eines VOB/B-Vertrags kann den Vertrag kündigen, wenn eine verbindliche Vertragsfrist für den Beginn der Ausführung vereinbart wurde, zu der der Auftragnehmer mit den ihm obliegenden Arbeiten nicht begonnen hat und der Auftraggeber zuvor erfolglos eine Frist zur Vertragserfüllung, verbunden mit der Androhung einer Kündigung des Auftrags, gesetzt hat.
2. Auch wenn der Auftragnehmer mehrfach schriftlich Bedenken gegen die Ausführung der Leistung mitgeteilt hat, scheidet ein Leistungsverweigerungsrecht aus, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer ausdrücklich angewiesen hat, mit den Arbeiten zu beginnen, und der Auftraggeber dadurch das Risiko einer mangelhaften Ausführung übernommen hat.
3. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers, zu dem auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts zählt, eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.03.2008 - II ZR 313/06, NJW 2008, 1672 = IBRRS 2008, 1518 = IMRRS 2008, 1029).*)
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