Immobilien- und Mietrecht.

Hervorzuhebende Urteile zum Miet- und Pachtrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei imr-online eingestellt
Online seit gestern
IMRRS 2023, 1148
AG Bonn, Urteil vom 01.09.2023 - 206 C 1/23
1. Im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist zu beurteilen, ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Durchsetzung einer rechtsmissbräuchlichen Eigenbedarfskündigung und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht.
2. Die Vereinbarung einer Umzugskostenbeihilfe oder der Verzicht auf Schönheitsreparaturen können ergänzend für einen stillschweigenden Verzichtswillen sprechen.

Online seit 25. September
IMRRS 2023, 1113
AG Dresden, Urteil vom 16.02.2023 - 143 C 2593/22
1. Die Abgabe der Kündigungserklärung in einem Schriftsatz, der mit einer qualifiziert elektronischen Signatur versehen elektronisch bei Gericht eingereicht wird, genügt dem Schriftformerfordernis (§ 126a Abs. 1 BGB). Soweit der qualifiziert signierte Schriftsatz, der die Kündigung enthält, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zusammen mit dem Transfervermerk, der das Ergebnis der Integritätsund Signaturprüfung aufweist, zugeht, ist das Schriftformerfordernis erfüllt.
2. Hat der besonders empfindliche Mieter nichts Besonderes vereinbart, kann er nur die Einhaltung des für alle geltenden Standards erwarten.
3. Durch einen Legionellenbefall von 100 kbE/100 ml wird zwar der in der Trinkwasserverordnung genannte Maßnahmewert überschritten, der Gebrauch der Mietsache jedoch nicht beeinträchtigt.
4. Erst bei Überschreitungen ab 10.000 kbE/100 ml kann von einer möglichen Gesundheitsgefahr ausgegangen werden und liegt somit ein Mangel der Mietsache vor.

Online seit 21. September
IMRRS 2023, 1133
OLG Brandenburg, Urteil vom 27.06.2023 - 3 U 88/22
1. Klauseln, die für sich allein betrachtet unbedenklich erscheinen, können auch dann unwirksam sein, wenn sich erst aus der Kombination mit anderen - für sich betrachtet ebenfalls wirksamen - Regelungen eine gesetzlich missbilligte Wirkung einstellt.
2. Die Kombination einer Staffelmiete mit einer Indexklausel kann unwirksam sein, als durch die - zeitgleich zur Indexierung wirksam werdende - Staffelmiete ein "Floaten" unmöglich ist, also eine Anpassung nach oben und nach unten entsprechend der Indexveränderung dauerhaft ausbleiben muss. Insbesondere die Kombination einer automatischen Wertsicherungsklausel mit einer nur nach oben ausgerichteten Staffelmiete kann unzulässig sein, wenn "der Mietzins während der Laufzeit des Vertrags auf Grund der Staffelvereinbarung nur steigen kann".
3. Der "Lebenshaltungsindex aller privaten Haushalte in Deutschland" ist identisch mit dem Verbraucherpreisindex.
4. Weigert sich eine Partei, an der Beauftragung des Schiedsgutachters mitzuwirken, ist die andere Partei nach allgemeiner Ansicht berechtigt, den Gutachter allein zu beauftragen.
5. Das Gutachten eines Schiedsgutachters ist regelmäßig auch dann verbindlich, wenn der Sachverständige den Parteien kein rechtliches Gehör gewährt hat.
6. Eine unmittelbare oder eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Schiedsgerichtsverfahrens auf den Schiedsgutachtervertrag ist nicht möglich.

Online seit 20. September
IMRRS 2023, 1165
OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2023 - 24 U 47/22
1. Der Verstoß gegen eine Konkurrenzschutzklausel in einem Mietvertrag stellt einen Mietmangel gem. § 536 Abs. 1 BGB dar.*)
2. Ein Vermieter verstößt nicht gegen eine individualvertraglich vereinbarte Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag, welche eine Vermietung an Unternehmen untersagt, "die mit dem Geschäftsbereich des Mieters direkt konkurrieren", wenn der Mieter eine physiotherapeutische Praxis betreibt und der Vermieter nachfolgend Räume an einen Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt amerikanische Chiropraktik vermietet. Denn der vereinbarte Konkurrenzschutz erfasst nicht sämtliche Tätigkeiten, die in therapeutischen Einwirkungen auf den Bewegungsapparat bestehen.*)

Online seit 19. September
IMRRS 2023, 1153
AG Köpenick, Urteil vom 10.11.2022 - 9 C 148/21
Bei umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls haben die Mieter einen wichtigen Kündigungsgrund gem. § 543 Abs. 1 BGB im Fall der fortgesetzten vorsätzlichen Täuschung des Vermieters bei den Betriebskostenabrechnungen.

Online seit 18. September
IMRRS 2023, 1162
BGH, Urteil vom 05.07.2023 - VIII ZR 94/21
1. Zur rechtzeitigen Bekanntmachung der Begründung zur Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.04.2015 (im Anschluss an Senatsurteil vom 27.05.2020 - VIII ZR 45/19, IMR 2020, 312 = BGHZ 225, 352).*)
2. Zur Frage der Anwendbarkeit der §§ 556d ff. BGB im Falle von zwischen denselben Parteien separat geschlossenen Verträgen über die Anmietung einer Wohnung und über die Nutzung eines Kellers.*)
3. Zur Berechnung der bei Mietbeginn zulässigen Miethöhe im Fall der Indexmiete gem. § 557b Abs. 4 BGB.*)
IMRRS 2023, 1159

LG Berlin, Beschluss vom 19.07.2023 - 64 S 260/22
Eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigungserklärung kann als i.S.d. § 242 BGB missbräuchlich einzuordnen sein, wenn nicht die Auswahl der Wohnung und des zu kündigenden Mietverhältnisses den tatsächlichen Bedürfnissen und Wünschen der Bedarfsperson folgte, sondern umgekehrt die Bedürfnisse und Wünsche der Bedarfsperson erst durch die Auswahl der Wohnung geweckt und bestimmt wurden.*)

Online seit 15. September
IMRRS 2023, 1126
AG Neukölln, Urteil vom 09.05.2023 - 18 C 298/22
1. Die Bedrohung anderer Mieter und Bewohner des Hauses mit einer schweren Körperverletzung bzw. sogar mit dem Tod ist vom Vermieter nicht hinzunehmen und stellt einen Kündigungsgrund dar.
2. Eine Abmahnung ist nicht erforderlich.

Online seit 14. September
IMRRS 2023, 1143
LG Berlin, Urteil vom 22.08.2023 - 67 S 79/23
Waren die §§ 556d ff. BGB zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses verfassungsgemäß und landesrechtlich wirksam in Vollzug gesetzt, bleibt es im Falle der Preisrechtswidrigkeit der urspünglichen Mietzinsabrede gem. §§ 556g Abs. 1 Satz 2, 556d Abs. 1, Abs. 2 BGB bei deren teilweiser Unwirksamkeit, auch wenn sich die §§ 556d ff. BGB zu einem späteren Zeitpunkt als verfassungswidrig erweisen oder auslaufen sollten.*)

Online seit 13. September
IMRRS 2023, 1135
LG Berlin, Urteil vom 09.05.2023 - 37 O 445/22
1. Die missbräuchliche Rechtsausübung (hier: der Kündigung) liegt nur dort vor, wo der Berechtigte (hier: der Vermieter) kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde.
2. Ein Stufenverhältnis bzw. einen Vorrang von Vertragsanpassung vor Kündigung gibt es nicht.
3. Die ordentliche Kündigung bedarf als Gestaltungsrecht keines Grundes.

Online seit 12. September
IMRRS 2023, 0980
LG Ravensburg, Beschluss vom 04.05.2023 - 1 S 22/23
Für eine Eigenbedarfskündigung ohne Zusage zum Referendariatsplatz genügt es, wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass der Begünstigte einen Referendariatsplatz erhält und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Begünstigte sein Referendariat am Ort der begehrten Wohnung ableisten möchte.

Online seit 11. September
IMRRS 2023, 1122
OLG Dresden, Urteil vom 12.07.2023 - 5 U 255/23
Für die Behauptung, ein Mietverhältnis sei befristet, trägt derjenige die Beweislast, der aus der Befristung Rechte für sich herleiten will.*)

IMRRS 2023, 1066

AG Hamburg, Urteil vom 01.11.2022 - 49 C 366/21
Es ist formell nicht ordnungsgemäß, verschiedene Kostenpositionen aus unterschiedlichen Ziffern der Betriebskostenverordnung zusammenzufassen, soweit nicht ausnahmsweise es sich in ihrem Entstehungsgrund gleichartige Kosten handelt.

Online seit 6. September
IMRRS 2023, 1093
LG Hamburg, Urteil vom 13.01.2023 - 311 S 5/22
1. Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen von einer auf einem Nachbargrundstück betriebenen Baustelle begründen einen gem. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigten Mangel der Mietwohnung, wenn der Vermieter die Immissionen nur gegen eigene Entschädigungsansprüche nach § 906 BGB hinnehmen muss.*)
2. Der Mieter muss die erhebliche Beeinträchtigung seiner Mietwohnung durch Geräusch- und Schmutzimmissionen darlegen (Beschreibung der Art und Intensität der Beeinträchtigung) und beweisen. Eine Gesundheitsgefährdung des Mieters ist für das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle nicht erforderlich.*)
3. Es wird (nur) gem. § 906 BGB vermutet, dass die Einhaltung von Grenz- und/oder Richtwerten nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung des Mieters führt.*)

Online seit 4. September
IMRRS 2023, 1067
AG München, Urteil vom 12.10.2022 - 417 C 9024/22
Es ist als Bestandteil der vertraglichen Nebenpflichten anzusehen, dass der eintretende neue Mieter den Vermieter zeitnah über den Tod der Mietpartei in Kenntnis setzt. Das Unterlassen dieser Mitteilung stellt ein vertragswidriges Verhalten dar, das eine konkrete Erschütterung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und künftige Vertragstreue des Eingetretenen begründet und einen wichtigen Grund i.S.v. § 563 Abs. 4 BGB darstellt.

Online seit 1. September
IMRRS 2023, 1084
BGH, Urteil vom 19.07.2023 - VIII ZR 229/22
1. Zulässige Miete i.S.v. § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB ist die sich nach den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) ergebende Miete. Die zulässige Miete kann sich auch aus einer Anwendung der Vorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, mithin nach der im vorangegangenen Mietverhältnis geschuldeten Vormiete zu bemessen sein.*)
2. Geschuldete Vormiete i.S.v. § 556e Abs. 1 BGB ist bei einem Vormietverhältnis, das ebenfalls bereits den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) unterlag, die Miete, die nach diesen Vorschriften zulässig gewesen ist. War die ursprünglich vereinbarte Vormiete demnach unzulässig überhöht, ist als geschuldete Vormiete die gem. § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen.*)
3. Die Regelung des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn eine ursprünglich vertraglich vereinbarte Vormiete nach den auf das Vormietverhältnis bereits anwendbaren Vorschriften der §§ 556d ff. BGB überhöht war und sich die für das Vormietverhältnis zulässige Miete ihrerseits aus § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt (Vor-Vormiete).*)

Online seit 31. August
IMRRS 2023, 0655
AG Remscheid, Urteil vom 02.09.2022 - 27 C 62/22
Die Kosten für das Müllmanagement sind auf den Mieter umlegbar, wenn durch die Einschaltung des damit betrauten Unternehmens zusätzliches Einsparpotential bei den Müllkosten freigesetzt wird, weil dessen Leistungsumfang Maßnahmen umfasst, zu denen der Vermieter nicht verpflichtet ist.

Online seit 30. August
IMRRS 2023, 1060
LG Berlin, Urteil vom 28.06.2023 - 64 S 105/22
1. Wenn der GmbH-Geschäftsführer bei Abschluss des Wohnungsmietvertrags gegen die Interessen der Gesellschaft handelt und die Mieterin dies erkennt, kann der Vertrag wegen kollusivem Verhaltens gemäß § 138 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nichtig sein. So kann es liegen, wenn die Gesellschaft Wohnungen nicht vermieten, sondern modernisieren und verkaufen will, die vereinbarte Miete weniger als die Hälfte der ortsüblichen Miete beträgt und der Mieterin das Wissen darum zuzurechnen ist, dass die Mehrheitsgesellschafter der Gesellschaft das Geschäft nicht billigen, sondern alles daran setzen werden, den Mietvertrag aufzulösen.*)
2. Hat der Mieter den Besitz an der Wohnung durch Kollusion erlangt, so ist er im Sinne der § 990 Abs. 1, §§ 989, 987 Abs. 1 BGB bösgläubig gewesen und hat der Gesellschaft als Eigentümerin der Wohnung die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Deren Wert kann gemäß § 287 ZPO auf Grundlage des Berliner Mietspiegels und der zugehörigen Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung geschätzt werden, wobei im Hinblick auf die Vorschriften über die Mietpreisbremse nach §§ 556d ff. BGB als fiktive Neuvermietungsmiete 110% der ortsüblichen Miete angesetzt werden kann.*)
