Immobilien- und Mietrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Miet- und Pachtrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei imr-online eingestellt
Online seit 8. Mai
IMRRS 2024, 0644BGH, Urteil vom 10.04.2024 - VIII ZR 286/22
1. Beabsichtigt der Vermieter, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer (frei-)beruflichen Tätigkeit nachzugehen (hier: Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei), wird es für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses i.S.v. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig ausreichen, dass ihm bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter beziehungsweise anerkennenswerter Nachteil entstünde (Bestätigung von Senatsurteil vom 29.03.2017 - VIII ZR 45/16, IMR 2017, 261).*)
2. Höhere Anforderungen gelten nicht deshalb, weil der Vermieter die an den Mieter überlassene Wohnung nach deren Umwandlung in Wohnungseigentum erworben und die Kündigung innerhalb eines Zeitraums erklärt hat, welcher der für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen geltenden Kündigungssperrfrist gem. § 577a Abs. 1, 2 BGB entspricht.*)
3. Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der (ordentlichen) Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses gehört die Angabe der Kündigungsfrist beziehungsweise des Kündigungstermins in der Kündigungserklärung nicht. Ergibt die Auslegung der Kündigungserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB, dass der Vermieter ordentlich und unter Einhaltung einer Frist kündigen will, wird es regelmäßig seinem erkennbaren (hypothetischen) Willen entsprechen, dass die Kündigung das Mietverhältnis mit Ablauf der (gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten) Kündigungsfrist zum nächsten zulässigen Termin beendet. Das gilt auch, wenn der Vermieter in der Kündigungserklärung einen zu frühen Kündigungstermin angibt, sofern sein (unbedingter) Wille erkennbar ist, das Mietverhältnis auf jeden Fall zu beenden.*)
VolltextOnline seit 7. Mai
IMRRS 2024, 0636BGH, Urteil vom 10.04.2024 - VIII ZR 114/22
Zu den Anforderungen an die gerichtliche Prüfung des Vorliegens einer nicht zu rechtfertigenden Härte i.S.d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der ernsthaften Gefahr eines Suizids des Mieters im Falle einer Verurteilung zur Räumung der Wohnung (im Anschluss an Senatsurteil vom 26.10.2022 - VIII ZR 390/21, IMR 2023, 6).*)
VolltextIMRRS 2024, 0589
AG Karlsruhe-Durlach, Urteil vom 09.04.2024 - 2 C 147/21
1. Werden eine Wohnung und ein Kfz-Stellplatz vermietet, kommen die §§ 558 ff. BGB - wohl - auch bezüglich der Erhöhung der Kfz-Stellplatzmiete zur Anwendung.
2. Infolgedessen bedarf das Mieterhöhungsverlangen betreffend den Kfz-Stellplatz einer Begründung i.S.v. § 558a BGB.
VolltextOnline seit 6. Mai
IMRRS 2024, 0593LG Mannheim, Urteil vom 03.04.2024 - 4 S 45/23
1. In die Nebenkostenabrechnung sind bei Gebäuden mit mehreren Einheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: Eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zu Grunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug seiner Vorauszahlungen.
2. Soweit die Abrechnung die Anforderungen des § 14 UStG in formeller Hinsicht nicht erfüllt, steht dem Mieter lediglich ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Aushändigung einer vollständigen Abrechnung zu.
3. Die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses können vereinbaren, dass der Mieter die Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten übernimmt, wenn eine solche anfällt.
4. Unabhängig von der umsatzsteuerlichen Vorbelastung der Nebenkosten entfällt auf die Nebenkosten mit der Nebenkostenabrechnung die jeweilige gesetzliche Umsatzsteuer. Der Mieter zahlt also auch auf nicht mit Vorsteuer belastete Beträge (bspw. die Grundsteuer) oder mit dem ermäßigten Steuersatz von 7% belastete Beträge (bspw. Wasser) den vollen Umsatzsteuersatz.
5. Der Vermieter darf dem Mieter auch auf Nebenkosten, die bereits mit Vorsteuern belastet sind, zusätzlich den vollen Umsatzsteuersatz in Rechnung stellen mit der Folge, dass das Finanzamt auf derartige Nebenkosten (zunächst) zweimal die Umsatzsteuer erhält.
VolltextOnline seit 3. Mai
IMRRS 2024, 0599LG München I, Beschluss vom 13.07.2023 - 14 S 6310/23
1. Ein Mieter eines Mehrparteienhauses, der dem polizeilichen Notruf wissentlich erfundene Tatsachen mitgeteilt und damit einen größeren Polizeieinsatz bei einem anderen Mieter auslöst, kann den Hausfrieden so schwer wiegend stören, dass dies eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt (§ 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB).
2. Eine Störung des Hausfriedens ist regelmäßig dann nachhaltig, wenn sie schwer wiegend ist. Zwar reichen kurze bzw. einmalige Störungen des Hausfriedens regelmäßig nicht für eine fristlose Kündigung aus. Allerdings kann auch ein einmaliger Vorfall den Hausfrieden so schwer stören, dass unter Abwägung aller Interessen eine Fortsetzung für den Vermieter nicht zumutbar ist.
3. Eine Abmahnung ist nach § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich, wenn durch das Fehlverhalten des anderen Teils die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwer wiegend erschüttert ist, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann.
VolltextOnline seit 30. April
IMRRS 2024, 0581AG Frankfurt/Main, Urteil vom 07.09.2023 - 33 C 1509/23
Der nach Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB gegebene Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses ist nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter die außerordentliche Kündigung erklärt hat; es genügt, wenn dem Vermieter bei Zugang der ordentlichen Kündigung (auch) ein Recht zur fristlosen Kündigung zusteht.
VolltextOnline seit 24. April
IMRRS 2024, 0552OLG Dresden, Beschluss vom 27.03.2023 - 5 U 2520/20
1. Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können auch behördliche Beschränkungen und Gebrauchshindernisse die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel i.S.v. § 536 BGB begründen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die behördlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden.*)
2. Ausgangspunkt der Auslegung eines Mietvertrages gem. §§ 133, 157 BGB ist der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille. Zu berücksichtigen ist dabei aber auch und vor allem die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck, weswegen eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung geboten ist, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt, welches die Nichtigkeit vermeidet.*)
VolltextOnline seit 23. April
IMRRS 2024, 0509LG Lübeck, Urteil vom 28.03.2024 - 14 S 117/22
1. Die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB gilt auch für Ansprüche, die wirtschaftlich an die Stelle des in § 548 Abs. 2 BGB genannten Erfüllungsanspruchs treten.
2. Bevor der Vermieter Dübellöcher selbst beseitigen kann, muss er zuvor dem Mieter erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben.
3. Der Aufrechenbarkeit der gegenseitigen Ansprüche (hier: Rückzahlung der Kaution und Schadensersatansprüche des Vermieters) steht nicht entgegen, dass der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Mietkaution erst nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist des Vermieters fällig wird. Denn § 387 BGB verlangt für das Vorliegen einer Aufrechnungslage lediglich, dass der Aufrechnende die ihm obliegenden Leistungen bewirken kann, seine Leistung mithin erfüllbar ist. Fälligkeit der Leistung des Aufrechnenden, also das Recht des Gläubigers, diese Leistung zu verlangen, ist keine Voraussetzung für eine Aufrechnungslage.
4. Einer Aufrechnungslage steht auch nicht entgegen, dass der Vermieter nicht innerhalb der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB gegenüber dem Mieter sein Schadensersatzbegehren zum Ausdruck gebracht hat. Dies führt nicht dazu, dass sich die gegenseitigen Ansprüche der Parteien nicht unverjährt i.S.v. § 215 BGB gegenübergestanden hätten (entgegen LG Berlin, IMR 2024, 96, und KG, IMR 2020, 206).
VolltextOnline seit 22. April
IMRRS 2024, 0540LG Berlin II, Beschluss vom 11.03.2024 - 67 S 289/23
1. Bei der gerichtlichen Überprüfung einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfordert die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "erheblich" nicht anders als bei § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB die Berücksichtigung und Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Dazu zählen nicht nur die "grundsätzlichen", sondern auch die konkreten Interessen des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses (Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 12.11.2003 - 1 BvR 1424/02, ZMR 2004, 95).*)
2. Zur Berücksichtigung fehlender Bemühungen des Vermieters um Abmilderung der - sozialen und wirtschaftlichen - Kündigungsfolgen durch Unterbreitung eines an den Mieter gerichteten und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflichen Angebots zur Anmietung von Ersatzwohnraum.*)
VolltextOnline seit 18. April
IMRRS 2024, 0471LG Hamburg, Urteil vom 15.08.2023 - 311 O 274/22
1. Miete bleibt unabhängig von etwaigen Einwendungen wegen corona-bedingter Nutzungsbeeinträchtigung/Untersagung geschuldet (§ 535 Abs. 2 BGB).
2. Die - ohne Urkundenbeweis - eingeführte GuV-Rechnung erlaubt eine Anpassung nach § 313 BGB allenfalls im Nachverfahren.
3. Zur Prima-facie-Liquidität des Anspruchs aus der (Mietvertrags-)Urkunde (ebenso schon BGH, Urteil vom 18.09.2007 - XI ZR 211/06, IMRRS 2007, 2442).
VolltextOnline seit 16. April
IMRRS 2024, 0518LG Wuppertal, Beschluss vom 29.08.2023 - 8 S 5/23
1. Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen. Allerdings müssen diese baulichen Veränderungen auch erforderlich sein.
2. Erforderlichkeit bedeutet, dass der Mieter unter mehreren möglichen nur die bauliche Veränderung beanspruchen kann, die mit dem geringsten Eingriff in die Gebäudesubstanz, in die Interessen des Vermieters und der übrigen Mieter verbunden ist.
3. Werden durch die Einrichtung Sicherheitsbelange tangiert (Statik, Elektrizität, Sanitär), so kann der Vermieter verlangen, dass die Arbeiten von einer Fachfirma ausgeführt werden.
4. Die Abwägung der wechselseitigen Interessen kann nur im Einzelfall erfolgen. Erfordert der Einbau der vom Mieter begehrten bodengleichen (barrierefreien) Dusche nicht nur den Umbau des bestehenden Bades der vom Mieter bewohnten Wohnung, insbesondere die Entfernung der vorhandenen Badewanne, sondern einerseits eine größere Durchbohrung der Geschossdecke und andererseits die räumliche, optische und wohl auch akustische Beeinträchtigung des Bades der unter der Wohnung des Mieters liegenden Wohnung, muss das Interesse des Mieters, der nicht substanziiert dargetan hat, dass und welche weniger belastenden Maßnahmen bestehen, am Einbau der beantragten Duschwand zurückstehen.
VolltextOnline seit 15. April
IMRRS 2024, 0513LG Krefeld, Urteil vom 25.10.2023 - 2 S 16/23
1. Eine unberechtigte Kündigung (ebenso ein Widerruf) stellt grundsätzlich eine Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis dar, so dass der Kündigungsempfänger den durch die Kündigung entstandenen Schaden ersetzt verlangen kann.
2. Allerdings muss der Schaden nach den allgemeinen Kausalitätsgrundsätzen auch ursächlich auf die unberechtigte Kündigung zurückzuführen sein.
3. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhalten des Gekündigten hierdurch herausgefordert wurde und keine ungewöhnliche oder gänzlich unangemessene Reaktion darstellt. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Kündigende die Kündigungsvoraussetzungen schlüssig dargetan hat und der Kündigungsempfänger keine Veranlassung hat, daran zu zweifeln; außerdem ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Kündigungsempfänger sich dem Druck des Kündigenden beugt, sofern dieser Druck ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit übersteigt-
4. Dies ist nicht der Fall, wenn der Kündigungsempfänger die Unwirksamkeit der Kündigung/des Widerrufs kennt.
5. Zwar begründet eine Geltendmachung unbegründeter Ansprüche nicht ohne Weiteres einen Anspruch auf Ersatz der zur außergerichtlichen Abwehr des Anspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten. Besteht zwischen den Parteien aber ein Vertragsverhältnis oder eine sonstige Verbindung, kann die Geltendmachung eines unberechtigten Anspruchs eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB darstellen.
6. Darüber hinaus muss sich die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Rechtsverteidigung auch als vernünftig und zweckmäßig darstellen.
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